Freitag, 22. April 2016

Rezension: Elisabeth. Kaiserin wider Willen

Als ich im Februar spontan das Musical "Elisabeth" besuchte, wusste ich nur entfernt, worauf ich mich einlasse. Die musikalische, theatralische Darstellung der Kaiserin Österreichs hinterließ mit Roberta Valentinis Spiel allerdings solch einen Eindruck, dass ich mich daraufhin näher mit "Sisi" beschäftigen wollte.
Ich habe die damaligen Romy Schneider Filme nie gesehen und war an sich schon überrascht, dass das Musical die Kaiserin mit wenig Kitsch darzustellen wusste.

Nun bin ich allerdings nicht gerade in Biografie-Kenner und musste mich daher im Buchladen beraten lassen. Das vorliegende Werk war mir bereits beim Stöbern auf Amazon aufgefallen und prompt habe ich es dann im Laden bestellt.




Elisabeths Leben wird auf 600 Seiten behandelt und beleuchtet nicht nur das Zusammenleben mit Franz Joseph und umgeben vom Wiener Hof, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Umstände der damaligen Zeit sowie - und das äußerst detailliert - das Seelenleben der Kaiserin.
Wir beginnen mit der Einleitung, den Familienverhältnissen der jungen Elisabeth - Ihr Verhältnis zu den Schwestern und zu ihren Eltern. Es zeigt sich bereits in diesen ersten Seiten, wie wichtig die Mutter für eine Tochter war. Nicht zuletzt sollte eine jede Tochter so schnell wie möglich einen passenden Heiratskandidaten finden.

Das plötzliche Aufeinandertreffen und Verlieben Franz Josephs in die gut sieben Jahre jüngere Sisi und die Reaktionen des Wiener Hofes auf dieses noch so ungezähmte Mädchen ohne jegliche Reize und Chic prägen das erste Kapitel.
Gemeinsam mit der Episode der Hochzeitsvorbereitungen und jener Hochzeit selbst zeigt sich in Hamanns Werk, wie sehr Sisi dem Druck des Hofes nicht gewachsen war und nicht gewachsen sein wollte. Sie war schon immer scheu gegenüber Fremden und verfiel des öfteren in Panikattacken, welche sich auch in ihrem späteren Leben nicht legten, wenn gleich sie allerdings Möglichkeiten fand diese Situationen zu umgehen.

Die Mutter Franz Josephs, Erzherzogin Sophie, spielte noch bis zu ihrem Tod eine tragende Rolle im Leben des Kaiserpaares. Sie selbst galt bis zu Elisabeths Aufkommen als heimliche Kaiserin Österreichs, da ihr Mann wegen geistiger Umnachtung unfähig war zu regieren. Auch war sie es, die Franz Joseph auf seinen Thronbestieg als Kaiser vorbereitete.
Hamann beschreibt anhand vieler Tagebuch- und Briefquellen der Bediensteten des Hofes, wie Sisi versuchte dem Hofleben zu entfliehen und mit welchen Strapazen das Personal dabei zu kämpfen hatte, um ihren unstillbaren Durst nach Extravaganzen zu stillen.

Besonders das Kapitel "Ungarn" spielt eine prägnante Rolle für die weitere Entwicklung Elisabeths und die Autorin nimmt sich die Zeit, jene Episode ausführlich in ihren Einzelheiten zu beleuchten und auch die Verstrickungen diverser ungarischer Landsmänner mit der Kaiserin zu klären.

In ihrem Leben distanzierte sich Elisabeth nicht nur immer mehr von ihrem Ehemann, sondern auch von ihrer Familie. Ihre jüngste Tochter Marie Valerie war das einzige ihrer Kinder, welches Sisi als Mutter in ihrer Nähe hatte. Gisela und Rudolf wurden damals von Sophie früh von der Mutter ferngehalten und erst spät wusste sich Elisabeth ihrer Schwiegermutter und den damaligen internen Richtlinien zu widersetzen.

Je älter sie wurde, desto mehr zog sie sich in Einsamkeit zurück und in Ausübung exzessiver Freizeitbeschäftigung: So waren kilometerlange, schnelle Wanderungen zu unmöglichen Zeiten keine Seltenheit, nachdem Elisabeth zuvor jahrelang Jagdritte unternommen hatte (bis es ihr gesundheitlich nicht mehr möglich war). Ihre Hungerkuren ließ sie auch in den späteren Lebensjahren nicht aus und ihre Gymnastik- und Turnstunden waren regelrecht skandalös - immerhin war es nicht gerade üblich, die Kaiserin in einem Sportanzug in der Turnhalle vorzufinden.

Das Leben von Sisi fand ein unerwartetes Ende, als sie von dem Attentäter Luigi Lucheni erstochen wurde. Es handelte sich hierbei um keinen geplanten Mord. Vielmehr war Elisabeth zur falschen Zeit am falschen Ort, da er sich zunächst ein anderes Opfer der Aristokratie ausgesucht hatte.
Ihr Tod hingegen brachte ihm durchaus den Ruhm ein, den er als Anarchist einheimsen wollte. Nicht zuletzt aber auch Arrest, welchen er mit Suizid beendete.



Einschätzung

Hamann bringt das Leben Elisabeths in einer angenehmen Form an den Leser.
Ich bin mit Biografien nicht vertraut, doch empfinde ich die romanartige Schreibweise sehr einprägend. Solide und ansprechend geschrieben, gibt es allerdings immer mal wieder unpassende Wortwahlen, über welche man beim Lesen stolpert: "krass", "mal wieder" und "nicht gerade" sind Formulierungen, die öfters fallen.
Wünschenswert wären zuweilen Übersetzungen fremdsprachlicher Äußerungen gewesen, da Französisch kein unwesentlicher Bestandteil am Hof ist und nicht jeder Leser dieser Sprache mächtig ist. Eine kurze Anmerkung zu damaligen Begrifflichkeiten, die heute keinerlei Anwendung mehr finden, oder auch eine Niederschrift des Nachrufs Franz Josephs hinsichtlich Elisabeths Tod würden dem Lesevergnügen noch einen weiteren Pluspunkt bescheren - letzteres auf Grund der alten Frakturtype, welche damals Verwendung fand.

Die Autorin sagt selbst, dass sie die Ereignisse nicht in absolut chronologischer Reihenfolge aufbringt, sondern für das bessere Verständnis in sachliche Themenkomplexe packt. Auf der einen Seite ist es so wirklich einfacher, die geschichtlichen Hintergründe zu erfassen. Auf der anderen Seite entstehen natürlich auch viele Zeitsprünge in die Vergangenheit, was wiederum den Lesefluss einschränkt.

Der historische Kontext ist für eine Biografie zu Elisabeth nicht außer Acht zu lassen - gerade die außenpolitischen Verwicklungen Österreichs waren eine Last in der Ehe des Kaisers und der Kaiserin, die nicht zuletzt auch durch Sophie immer wieder für Diskrepanzen sorgte.
In kurzen Intervallen werden die einzelnen Ereignisse beleuchtet, teilweise fernab von Sisi und Franz Joseph, sind aber nie unnötig lang gehalten.

Ein besonderes "Extra" zeigt sich für mich im letzten Drittel des Buches:
Hier kommen die Gedichte Elisabeths zu tragen, welche sie über die Menschen in ihrer Umgebung, über ihren angebeteten Heinrich Heine oder die Landeszukunft fantasierte. Diese Beschäftigung ihrerseits ging sogar soweit, dass sie einen Nachlass für die Zeit nach ihrem Tod gestaltete: Ein jeder sollte sich an die Kaiserin erinnern.
Hamann geht darauf ein, dass sich Elisabeth als große Dichterin empfand, ihre Lyrik selbst hingegen nichts besonderes war. Inwiefern diese Wertung zutreffend ist, mag ein jeder selbst einschätzen.

Neben jenen Gedichten beleuchtet Hamann vier weitere Personen ausführlicher, die nicht unwesentlichen Einfluss auf Elisabeths Leben nahmen: Hier wäre der Cousin Ludwig II. von Bayern zu nennen, welcher als geistig umnachtet galt und sich im Starnberger See wohl ertränkte. Als nächstes dann Franz Joseph selbst, welcher besonders unter der Distanz zu seiner Frau litt. Die dritte Person ist Sisis einziger Sohn Rudolf, welcher seiner Mutter mehr ähnelte als dem Vater - leider auch in der Labilität, und letzten Endes Suizid beging. Die letzte Person ist Marie Valerie - Elisabeths Jüngste, an dieser Stelle eine erklärende Funktion für die Eigenarten von Mutter und Vater und der sich wandelnden Ansichten beider Parteien darstellend.

Im Anhang befindet sich ein Stammbaum der kaiserlichen Familie und eine kurze Zeittafel damaliger Zeit. Zuletzt ist noch ein ausführliches und sorgfältig geführtes Verzeichnis der Zitate und Belegquellen zu nennen, die Hamann für ihr Buch heranzog.

Ebenso nicht außer Acht zu lassen ist der illustrative Anteil im Buch: Auf vielen Farbseiten präsentiert sich die kaiserliche Familie in Form von Gemälden und Fotografien.

Für mich als "Anfängerin" - sowohl in Sachen "Elisabeth" als eben auch Biografien - verbinde ich mit diesem Buch ein sehr positives Leseerlebnis.
Die historischen Bezüge ließen sich unproblematisch verstehen und einordnen.
Eine Beschönigung der Kaiserin findet keineswegs statt - eher wird man sich den vielen Mängeln bewusst, welche Elisabeth besaß und weiter ausbaute, je älter sie wurde. Trotzdem zeigt sich aber auch eine Entwicklung ihrer Person, niedergeschrieben in angenehmer Geschwindigkeit: von dem viel weinenden Mädchen zu einer starken, wenngleich egozentrischen Persönlichkeit, bis hin zu einer sich in Spiritismus und Fantasien verlierenden alten Frau. Alles nur, damit sie aus dem goldenen Käfig fliehen könnte, in den sie gesperrt wurde.




Elisabeth. Kaiserin wider Willen.
Brigitte Hamann.
Piper Verlag, 640 Seiten
ISBN-10: 3492301800
ISBN-13: 978-3492301800
Preis: ab 14,99€

Sonntag, 10. April 2016

Rezension : Das verhaßte Alter

Ich bleibe gerne einmal beim Wühltisch unseres kleinen Buchladens stehen.
Dieses "moderne Antiquariat", welches der Ladenbesitzer nebenbei betreibt, bringt die interessantesten Bücher wieder ans Tageslicht: ob alte Stadtführer zu Berliner Ortsteilen, Bildbände klassischer Maler oder auch alte russische Kinderbücher...

Vor einiger Zeit stieß ich nun auf "Das verhaßte Alter" - eine Sammlung an Prosatexten diverser japanischer Autoren, übersetzt aus dem Englischen von Ingrid Rönsch, Monique Humbert und Liane Wagner.
Ich möchte hierbei nur drei Geschichten beleuchten, die mir besonders gefallen haben, ehe ich zu einem Fazit komme.





Leben bei Herrn Tange - Ibuse Masuji

Die Geschichte spielt im Leben des 67jährigen Steuerbeamten Tanges und seines zehn Jahre älteren Dieners. Der Erzähler (und hierbei auch die dritte agierende Person in der Erzählung - ein Sammler aus Tokyo, welcher den Ort aufsucht, um Ausgrabungen von Steingut vorzunehmen) beobachtet, wie Tange seinen Untergebenen wegen schlechten Verhaltens zurechtweist und schließlich zur Arbeit aufbricht.
Aus seinem eigenen "Versteck" auftretend, unterhält sich der Erzähler mit dem Diener und erfährt, dass dieser Tange bereits seit frühen Jahren kennt und es sein Lebensinhalt geworden ist, ihm zu dienen. Zwei Tage später erhält der Diener einen Brief, welchen er dem Erzähler zeigt.
Tange selbst ist neidisch über diese Postsendung und prahlt mit seiner beträchtlichen Anzahl an Neujahrskarten, welche er natürlich als großer Unternehmer erhalten hat.

Der bis dahin namenlose Diener wird nun als Tanishita Eisuke identifiziert. Der Absender des Briefes ist Tanishita Otatsu, seine Ehefrau. Sie lässt wissen, dass über ihren Mann geredet wird und sie so auch von seiner schlechten Dienstbarkeit und seinen Züchtigungen weiß. Eisuke ist niedergeschlagen und geht Bäume fällen, um Aufheiterung zu finden.
Es vergehen zwei Wochen, in denen der Erzähler an seinen Ausgrabungen arbeitet und in denen auch Eisukes Frau angereist kommt. Gemeinsam mit Tange und ihr einen Plausch führend, kommt es schließlich zur Gegenüberstellung Otatsus und Eisukes, die sehr eisig ist. Ihren Mann zurechtweisend, wechseln sie trotz der zweijährigen Abwesenheit voneinander kaum Worte.
Die Ehe der beiden war von Anfang an nicht sehr heimisch, da sie beide aus keinem wohlhabenden Haus kamen und so jeder für sich Arbeit suchen mussten. Sie hatten keine Zeit, sich wirklich kennenzulernen und anzunäheren, was die Distanz und rechte Lieblosigkeit zwischen den beiden erklärt.

1931


Das verhaßte Alter - Niwa Fumio

Die alte Ume, Großmutter von Senko und Ruriko, lebt im Haus Senkos und ihres Mannes Itami. Mit ihren Eigenheiten und beginnender Demenz sorgt sie für viele Turbulenzen. Itami fühlt sich dadurch besonders genervt und empfindet das Zusammenleben als Qual. Obwohl Senko ihre 86jährige Großmutter anfangs gegen seine Launen in Schutz nimmt, wird sie von ihm doch umgestimmt als herauskommt, dass Ume verlauten ließ, dass sie in der Familie verhungere.
Nun soll Ume zu der Schwester Senkos, Sachiko und deren Mann Minobe, in die Berge gebracht werden. Diese Aufgabe muss Ruriko übernehmen. Im Zug trifft sie auf eine andere junge Frau, welche dieselbe Mission hat. Sie finden Gemeinsamkeiten in den Eigenarten der beiden alten Frauen und so auch in ihrer beider Schicksal.
Sachiko wird mit dem Besuch der beiden überrascht und es kommt zu einem Disput zwischen den beiden Schwestern. Der Ehemann Minobe kann sich am schnellsten mit der Situation arrangieren und versucht das Beste draus zu ziehen. Aber auch hier wird schnell klar, dass die alte Frau mehr lästig ist als alles andere: Zu den üblichen Marotten kommt hinzu, dass Ume zu bunkern beginnt und Nahrung aus dem Haushalt verschwinden lässt.
Minobe findet allerdings den guten Kern in der so gehässig wirkenden Frau wieder, als er ihr ein Foto ihrer verstorbenen Tochter zeigt, welche sie so vermisst. Für einen kurzen Moment trägt sie einen klaren Moment. Auch Ume ist ein Opfer des Alters war und tat bisheriges nichts mit böser Absicht.

1947


Agui, das Himmelsungeheuter - Oe Kenzaburo

Der achtzehnjährige namenlose junge Mann ist auf der Suche nach einer Beschäftigung, welche er neben dem College absolvieren kann. Sein Onkel macht ihn mit dem Bankdirektor bekannt. Dessen Sohn, ein bekannter Komponist, leidet unter Halluzinationen und braucht einen Begleiter um alltägliche Dinge des Lebens zu verrichten.
Sein Dienstherr "D", so von dem Protagonisten genannt, sieht sich selbst als Verrückten an, macht aber alles in allem einen recht normalen und intelligenten Eindruck.Schnell wird dem jungen Mann aber vor Augen geführt, wie sich die Halluzinationen Ds zeigen: Als sie das erste Mal auswärts gehen, blickt D in den Himmel und erklärt seinem Begleiter, dass man "ihn" bei schönem Wetter gut zu sehen bekommt. Bei einem Gespräch mit der Pflegerin erfährt der Protagonist, dass es sich bei dem Wesen um ein dickes Baby in weißem Nachthemd handelt und von D "Agui" genannt wird.
Agui - das sei der Geist des toten Babys seiner damaligen Frau und ihm.
Das Kind war mit einer Geschwulst zur Welt gekommen, welche medizinisch falsch eingeschätzt und ihm somit keine reale Lebenschance ausgerechnet wurde. Überredet von dem Arzt, ließ D das Kind töten. Nachdem allerdings die Wahrheit ans Licht kam, dass es gar nicht hätte sterben müssen, verlor sich D so sehr in Leid, dass er anfing zu halluzinieren.

Die Dienste des jungen Mannes endeten an Heiligabend, als D beim Übergang einer Straße aufschreit und sich zwischen zwei Fahrzeuge wirft. Ob es Selbstmord war? Sollte er D die ganze Zeit nur bei seinem Versuch zu sterben helfen? Oder waren das Hirngespinste?
Erst als er zehn Jahre später von Kindern mit Steinen beworfen und am Auge schwer verwundet wird, scheint der damalige Junge die Schwere der Zeit zu verstehen, die auch D belagert hat und kann fortan diese Schatten hinter sich lassen... der Schatten, ein Agui. Wie viele weitere in seinem eigenen Himmel.

1964


Einschätzung

"Neben der lyrisch verhaltenen Schilderung steht die klinisch-realistische Beobachtung, die subtile, unterkühlte Beschreibung. Erstaunlich unsentimental und mit deutlichen Gespür für Zwischentöne gestalten die Autoren komplizierte psychische Situationen, wobei sie sich der Verletzlichkeit jeder menschlichen Beziehung bewusst sind."
Dieses Vorwort von 1981 entspricht in meinen Augen auch noch der heutigen japanischen Prosa.
Vergleiche ich dieses Buch hier z.B. mit "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" (Kawakami Hiromi) oder "Naokos Lächeln" (Murakami Haruki), zeigt sich mir in allen dieser Geschichten die besagte Emotionalität und das Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen.
Erzählungen wie "Agui" oder vergleichsweise die Romane von Yoshimoto Banana sind zumeist jene, welche sich eingehend mit der Psyche des Menschen beschäftigen. Nicht selten sind sie von melancholischer oder gar depressiver Natur und wissen auch den Leser in eine grundlegende Melancholie zu versetzen.
Der westliche Erzählstil ist meist klarer, geradliniger und gleichzeitig zurückhaltender, was das Seelenleben betrifft, während der japanische ins Unterbewusstsein greift, den Leser dazu bringt, sich mit einer der Figuren zu identifizieren und seine eigene Welt in Frage zu stellen.

Man kann meiner Meinung nach bei dieser Art japanischer Geschichten (und auch Filmen) nicht viel Aktivität im Handlungsstrang erwarten. Das Erzählte gleicht meist dem Tempo des Lebens. Wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht, dann war es dies aufgrund des Lebens selbst, nicht einer Schreibtechnik oder Autorenlaune wegen. Wenn die Episode wenig Handlung zeigt, so wird dies allerdings aufgrund intensiver (innerer) Auseinandersetzungen der Personen mit sich selbst oder anderen wieder wettgemacht.
Daher mögen sich die von mir hier gesondert gewählten Prosatexte nicht unbedingt spannend lesen, doch überzeugen sie vor allem in Gefühl und den Worten, welche zwischen den Zeilen stehen.

"Das verhaßte Alter" zeigt dieses in seinen unterschiedlichsten Facetten, Wirkungsweisen und Folgen: Sei es nun die langjährige Beziehung zwischen Diener und Herren oder aber die zur Routine werdende Ehe eines jungen Paares. Sei es der typische Generationskonflikt zwischen Alt und Jung oder gar die Vergänglichkeit des eigenen Lebens.
Man findet in jener Sammlung gewiss keine Antworten auf die Mysterien, welche uns im Laufe der Zeit erwarten, wohl aber viele Situationen, bei denen man denkt: "Das kommt mir bekannt vor!"

Ich bin hierbei sehr dankbar für die gute Übersetzung, die sich sehr fließend lesen und keine Fragen offen lässt: Worte, die mit Bedacht gewählt wurden, um den Charme zu erhalten und in seiner Eigenart zu unterstützen.




Das verhaßte Alter. Erzählungen.
Ibuse Masuji, Niwa Fumio, Yasuoka Shotaro, Oe Kenzaburo, Kono Taeko, Furui Yoshikichi.
Übersetzer: Ingrid Rönsch, Monique Humbert, Liane Wagner

Verlag Volk und Welt Berlin, 194 Seiten
Bestellnummer: 6479408
ASIN: B004DATMPC
Preis: ab 0,55€