Dienstag, 21. Juni 2016

Classic Confessions #03

Und damit geht es in die nächste Runde. Momentan komme ich kaum zum Schreiben oder andere Dinge zu machen... Arbeit. :')


Bevorzugt ihr bei Klassikern die Originalsprache oder eine Übersetzung?

Leider Gottes bin ich nicht so fit in Fremdsprachen, als dass ich Klassiker in den entsprechenden Originalsprachen lesen kann. Zumindest, wenn es sich um jene wie Shakespeare's Werke handelt... Altenglisch ist nichts, was mir liegt. (Wobei ich es an sich sehr mag...)

Literatur ab dem (meist) 19. Jahrhundert hingegen ist für mich durchaus interessant. Jane Austen, Sir Arthur Conan Doyle, Charles Dickens... das sind alles Autoren, die ich gerne gelesen habe oder noch lesen möchte. Bei bestimmten Werken ist die deutsche Übersetzung auch einfach nicht ansprechend. Dies liegt für mich nicht an der Übersetzung selbst, sondern viel mehr daran, dass mit dem Einsetzen der anderen Sprache eben auch die Atmosphäre des Originals abhanden kommt.

Spannend sind Kinderbücher... glaubt mal nicht, dass diese unbedingt leicht verständlich sind.
Ich weiß noch, dass ich damals bei Alice im Wunderland ziemlich oft gestockt habe.
Oder Peter Pan. Oh je. Ich glaube, ich weiß, was ich wieder mal hervorholen muss...

Freitag, 17. Juni 2016

Classic Confessions #02

Da hänge ich doch glatt schon wieder hinterher!
Aber momentan lese und schreibe ich dafür im Marathon - sowohl als auf Arbeit als auch zu Hause.
(Leider ist ersteres nichts Unterhaltsames, wenn doch auch spannend ;D)

Somit geht es in eine zweite Runde der Classic Confessions.




Habt ihr alle Klassiker, die ihr in der Schule lesen solltet auch gelesen
und welche habt ihr gelesen?

Ich hatte eine sehr klassische Deutschlehrerin in der Oberstufe, die entsprechend auch sehr klassische Werke zu lesen aufgab: Gottfried Keller, Theodor Fontane, Friedrich Schiller, ... und in die Moderne dann Bertolt Brecht, Hermann Hesse, Max Frisch, ... Es gab noch einige weitere, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.
Generell habe ich sie aber alle gelesen. Bei manchen auch sehr durchgequält, aber ich habe sie gelesen. Wären nicht die Klausuren dazu gewesen, hätte es noch mehr Spaß bereitet, weil ich immer sehr gespannt war, was wir als nächstes zu lesen bekämen. Ich habe ich da sozusagen mitziehen lassen und kann behaupten, dass ich vor allem eben dank meiner Deutschlehrerin das Interesse an klassische Literatur beibehalten habe. (Nur habe ich nicht immer alles verstanden... z.B. ... König Ödipus - im Detail.)

Eine kleine Liste: Kleider machen Leute, Der Schimmelreiter, Macbeth, König Ödipus, Galileo Galilei, Emilia Galotti, Fräulein Else, Andorra, Auszüge aus Kabale und Liebe, Woyzeck, Auszug aus Faust I, Maria Magdalena, Auszüge aus Leonce und Lena, Unterm Rad, Die Leiden des jungen Werther... oh je, ich kriege doch nicht mehr alle zusammen! An dieser Stelle möchte ich aber auch noch die Dichter erwähnen: Möricke und Eichendorff waren immer wieder gern gesehene Gäste.

Rezension: Love Letters to The Dead

Erinnert ihr euch an die Welle, die John Greens The Fault in our Stars / Das Schicksal ist ein mieser Verräter ausgelöst hat? Zum einen kamen natürlich noch weitere seiner Bücher hier nach Deutschland, z.B. Looking for Alaska / eine wie Alaska, zum anderen gab es eine Menge weiterer Romane für Jugendliche, die mit einem Mal alle eins zu behandeln wussten: Das Leben.
Ich hielt Love Letters to the Dead somit schon einmal in den Händen - vor einem Jahr.
Ich habe es wieder weggelegt, weil ich mir unsicher war, ob ich es kaufen sollte.
Gerade weil es so viele Romane gab, wurde mir die Auswahl schwer gemacht...
Dann kam das Buchwichteln: Als ich meine Briefsendung öffnete... tja, welches Buchcover guckte mich da an?




Laurel, im ersten Jahr an der Highschool und zudem noch an einer fernab ihrer eigentlichen Wohngegend, erhält von ihrer Englischlehrerin zu Beginn des Schuljahres die Aufgabe, einen Brief an eine tote Person zu schreiben.
Sie schreibt an Kurt Cobain, den verstorbenen Sänger der Band Nirvana - zu jung gestorben.
So wie ihre Schwester May. Aber nicht nur deswegen wählt sie ausgerechnet Kurt Cobain aus, sondern auch, weil May Anhänger seinerseits war und auch Laurel mit der Musik Nirvanas angesteckt hat. Doch als sie fertig ist, gibt sie diesen Brief nicht ab, sondern schreibt noch eine ganze Reihe an andere verstorbene Persönlichkeiten: Judy Garland, Jim Morrison, Amy Winehouse, ...

Laurels Briefe erzählen fortgehend eine Geschichte - ihre Geschichte. Ihre Highscholerfahrungen, der Beginn von neuen Freundschaften, die Unsicherheiten des Erwachsenwerdens, ihre erste Liebe, ... aber auch ihre Vergangenheit, die sie wieder einzuholen droht. Vor allem aber muss sie lernen, dass ihre Schwester May weniger perfekt war, als sie es in Erinnerung hatte.


Einschätzung

Love Letters to the Dead überraschte mich immer wieder aufs Neue. Die Geschichte selbst ist nicht neuerfunden: Ein Mädchen mit einer schattigen Vergangenheit, der Tod einer geliebten und nahestehenden Person, welchen sie nicht verarbeitet hat. Zerrüttete Familienverhältnisse mit einer frommen Verwandten, bei dem die Protagonistin zeitweilig lebt inklusive.
Dennoch fielen mir beim Lesen sogleich zwei Dinge auf:

Zum einen die Liebe, mit welcher der Roman geschrieben wurde. Die Autorin hätte es bei den Adressaten sein lassen können, aber innerhalb jener Briefe erhält man noch direkt einen Einblick in die Leben der jeweiligen Personen selbst. Die Auswahl ist durchmischt: Amy Winehouse, die den meisten ein Begriff sein dürfte. Kurt Cobain, die frühen Neunziger. Aber auch alte Berühmtheiten wie Janis Joplin oder Judy Garland finden Platz und werden gewiss beim ein oder anderen Leser ein Fragezeichen hinterlassen. Dank der kurzen Einleitungen und Bezugnahmen in den Briefen wird die Unwissenheit aber schnell geklärt.
Für einen Extralesegenuss empfehle ich also Youtube einzuschalten und die passende Musik laufen zu lassen, sofern man sie noch nicht im Ohr hat.
Zum anderen wird schnell klar, dass ein jeder sein Päckchen zu tragen hat - abseits von Laurel selbst.
Hannah, deren Bruder ihr gegenüber gewalttätig wird.
Natalie, welche ihre Gefühle gegenüber ihrer Freundin sich in Klaren werden muss und leidet, als diese sich nicht ebenso dazu bekennen kann.
Sky, welcher mit seiner psychisch erkrankten Mutter allein gelassen ist.
Laurels Eltern, die jeder auf seine Art und Weise mit dem Tod ihrer Ältesten umgehen, aber sich immer mehr voneinander entfernen...
Beides lässt einen neugierig werden, wie es wohl weitergeht, wie Laurel ihr Leben meistert und was noch alles auf sie wartet. Obwohl der rote Faden sich offensichtlich durchs Bild zieht, lässt sich dennoch nicht erahnen, ob wir ein Happy oder ein Bad Ending zu erwarten haben.

Dellaira schafft es, Laurel eine Entwicklung als Charakter zu geben, die ich selten gesehen habe. Eine nachvollziehbare Entwicklung. Sie muss immer wieder einstecken und bis der Groschen fällt, braucht es eine ganze Zeit. Erst als ihre Beziehung in die Brüche geht und sie damit konfrontiert wird, dass sie zwar erwartet, dass man ihr beiseite steht, sie aber auch nichts offen legt und sie somit ihre große Liebe zu verlieren droht, wacht Laurel langsam auf. Dass sie auf einer Party schließlich beinahe auch noch von einem der Anwesenden zum Sex gezwungen wird, was eine weitere unangenehme Episode ihres Gedächtnisses aufkommen lässt, lässt sie sich ändern. Dies alles geschieht nach und nach, selbst das Ende ist dem hingehend nicht abrupt und rasant. Dass das Buch somit eine Happy End Wendung nimmt, hinterlässt einen leicht faden Beigeschmack - man möchte es nicht enden lassen.

Was mich hingegen sehr erschreckte, ist der nahezu hemmungslose Umgang mit Alkohol, Drogen, Sex und Lügen. Die jugendlichen Charaktere sind allesamt 15-19 Jahre. Es wird von Episoden berichtet, in denen Laurel Ladendiebstahl beginnt, Alkoholorgien bei den Mädchen zu Hause oder aber auch das selbstverständliche Schwänzen des Unterrichts und das Grasrauchen im Anschluss.
Dass dies teils deswegen geschieht, um zu zeigen, wie kaputt manche der Charaktere sind, ist verständlich und annehmbar. Inwiefern es allerdings sein muss, dass Laurel von einem Fremden Pillen annimmt und diese auch noch schluckt, obwohl sie genau weiß, dass es keine harmlosen Koffeintabletten sind, lässt sich anzweifeln. Es passte nicht zu der Situation.
Und auch die regelmäßigen Griffe zur Flasche, teils sogar alleine und nicht im Zusammensein mit anderen, lässt sich für mich nicht erklären - sie hat es nicht vorgelebt bekommen und es wird auch nicht näher darauf eingegangen, ob der Alkoholzuschuss eine wesentliche Besserung zum Gemütszustand beitrug oder nicht. In dieser Hinsicht hätte ich mir eine etwas kritischere Sichtweise gewünscht.

Alles in allem möchte ich aber dieses Buch dennoch denjenigen ans Herz legen, die moderne Jugendliteratur lesen und Musik lieben. Die Autorin schafft es, Atmosphären zu kreieren, die mitfühlen lassen. Man spürt die Schwere und die Schatten, die Laurel begleiten und merkt ebenso, wann sie sich langsam zu lichten beginnen. Dies ist definitiv nicht in jedem Buch der Fall und deswegen eindeutig Daumen hoch.



Love Letters to the Dead.
Ava Dellaira
Hot Key Books, 2014, 327 Seiten
ISBN: 978-1-4714-0288-3 

Sonntag, 12. Juni 2016

Classic Confessions #01

Kennt ihr das auch? Im Sommer, wenn es so warm wird, habe ich wenig Lust zu lesen und ich weniger Lust zu lesen und überfliege lieber ein paar mir bisher unbekannte Blogs im Internet.
Dieses Mal bin ich auf "Lauter&Leise" gestoßen, welche eine neue Blogaktion ins Leben rief.



Was ist für dich ein Klassiker?


Ein Klassiker macht sich für mich in genau zwei Bereiche bemerkbar - wirklich klassische Literatur und dann die Klassiker der Modernen.

Erstere Kategorie sind für mich jene Werke von Goethe, Schiller, Shakespeare, Brecht, etc., welche ein gewissenes Ansehen über die Zeit gewannen und zudem auch zu typischer Schulliteratur gehören, von denen man zumindest einmal gehört haben sollte, wenn man sie schon nicht selbst las.

Zweite Kategorie sind für mich solche Bücher wie Herr der Ringe, Harry Potter, Haruki Murakamis Romane, ... Geschichten unserer modernen Zeit, die für Furore sorgten.

Was macht ein Klassiker nun aber für mich aus?

Er muss mir im Gedächtnis bleiben. Ich muss nach Lesen des jeweiligen Buches auch nach Jahren noch sagen können, dass es mich bewegt hat, dass es so umfassend ist, dass ich noch in zwanzig Jahren ein weiteres Mal lesen würde.
Wenn das jeweilige Werk meinen ganz Geschmack so gut trifft, dass ich es nicht nur einmal, sondern immer wieder lesen möchte, ist es für mich ein persönlicher Klassiker.

Das sind jetzt im Klartext welche Bücher?

Tsugomi (Yoshimoto Banana)
Der Himmel ist weiß, die Erde ist blau (Kawakami Hiromi)
Harry Potter (J.K. Rowling)
Tagebuch (Anne Frank)
Die Frau des Zeitreisenden (Audrey Niffeger)
Nesthäkchen (Else Ury)
Trixi (M. Haller)
Erich Kästner
Fräulein Else (Arthur Schnitzler)
Georg Büchner
Bertolt Brecht
Andorra (Max Frisch)
Theodor Fontane
Goethe
...

Wie ihr also seht: kunterbunt.

Samstag, 28. Mai 2016

Rezension: Das Mädchen aus der Zukunft

Seitdem ich der Serie "Doctor Who" erlegen bin, interessiere ich mich mehr und mehr für das Genre "Sci-Fi". Als ich nun mehr in der Bücherwühlkiste ein Kinderbuch zu diesem Thema fand, konnte ich nicht widerstehen. Vor allem aber deswegen, weil mich alte Bücher und ihr ebenso alter Papiergeruch extrem anziehen.

Die Wahl fiel also auf "Das Mädchen aus der Zukunft", ein Buch mit zwei Geschichten, welche von Kir Bulytschow verfasst worden sind.
Kir Bulytschow selbst, eigentlich Igor Wsewolodowitsch Moscheiko, gilt als einer der bekanntesten Science-Fiction Autoren der damaligen Sowjetunion (2013 verstorben).
Die Geschichten um Alissa sind eine ganze Reihe an fantastischen Abenteuern des Kindes, welches durch den Weltraum reist. Es schafften weitaus nicht alle Geschichten den Weg in die DDR, wie man anhand seiner Bibliographie sehen kann.


In diesem Band werden zwei Erzählungen geliefert:
Die erste Geschichte bringt Alissa, ihren Vater - der Wissenschaftler - und das außerirdische Wesen Gromeska - der Archäolge - in die Verlegenheit, in die Zeit zurückreisen zu müssen.
Die kosmische Pest wurde von auf mysteriöse Art und Weise auf einen Planeten eingeschleppt und sorgte dafür, dass deren Bewohner alle zugrunde gingen.
Eigentlich ist es verboten, in die Zeit einzugreifen, doch können Gromeska und Alissa nicht anders, als den Untergang zu verhindern. Die Medizin ihrer Gegenwart hat einen Impfstoff gegen die kosmische Pest gefunden und dieses Serum soll Alissa zum Ursprung der Pandemiequelle bringen.

In der zweiten Geschichte befindet sich Alissa mit der Kosmonautin Polina und ihrem alten Hilfsroboter auf Raumschifffahrt. Sie machen hierbei nicht nur mit dem japanischen Jungen Judso Bekanntschaft, welcher auf der Suche nach seinem verschollenen Vater ist, sondern auch mit einem mysteriösen Asteroiden und einem von Robotern unterdrücktem Volk. Es zeigt sich allerdings, dass die Roboter nicht einmal böswillig handeln, obwohl deren Herr durchaus von Größenwahn getrieben wird. Ein gefährliches Abenteuer erwartet das kleine Mädchen und Polina gerät in Lebensgefahr, als sie von den Robotern gefangen genommen wird.

Einschätzung

Die Bücher rund um das Mädchen Alissa sind laut Altersempfehlung für Kinder ab zehn Jahren geeignet.
Bereits auf den ersten Seiten merkt man allerdings, dass sich sprachlich nicht nur diese Zielgruppen angesprochen fühlen wird. Satzbau und Wortwahl sind durchaus auch recht komplex und gehoben. Man muss sich erst einmal einfinden, um Zugang zu der Geschichte zu gewinnen.
Alissa ist für ihre zehn Jahre äußerst intelligent und erwachsen. Kindliche Verhaltensweisen und Leichtsinn trifft man bei ihr selten an. Eher noch lässt sich der Archäologe mit seinen zig Fangarmen zu Impulsitäten hinreißen und bringt sie in Schwierigkeiten.
Bulytschow bringt die Geschichte schnell voran ohne zu hetzen. Die Ereignisse überschlagen sich somit nicht, sondern laufen in einem angenehmen Tempo ab.

Als Science-Fiction Kenner setzt Bulytschow ein gewisses Grundwissen voraus - Skaphander, Blaster, aber auch simple physikalische Vorkommnisse finden in seinen Geschichten Platz und werden nur erklärt, wenn es für den weiteren Verlauf wichtig ist. Es gab einige Begriffe, mit denen ich mich neu auseinandersetzen musste, weil ich von diesen bisher noch nie gehört habe.
Die Übersetzung von Aljonna Möckel ist liebevoll in der Wortauswahl und bereitet somit einen zusätzlichen Lesegenuss.

Bulytschows Pädogikkenntnisse zeigen sich zwischen den Zeilen.
Eine gewisse Moralvorstellung wird dem Leser vorgesetzt. Die Charaktere setzen sich mit einem Für und Wider in den Geschichten auseinander, nehmen kritisch Stellung und müssen in ihrer folgenden Handlung etwaige Konsequenzen tragen. Obwohl diese Episoden um Alissa sehr fröhlich und locker auf mich wirken, wiegt aber auch eine Schwere mit und führt nicht gleich zum Happy End.
So bringt Alissas Zeitsprung einen Gefängnisaufenthalt mit sich, da das Einsprühen der Besatzung mit dem Serum vor den Augen aller als Attentat interpretiert wird und das Unterfangen Judsos, seinen Vater wiederzufinden, lässt ihn hierbei erkennen, wie sehr sich sein Vater in der bis dahin vergangenen Zeit sowohl äußerlich als auch innerlich verändert hat.
Besonders interessant ist in meinen Augen die Auseinandersetzung mit der sich stetig weiterentwickelnden Technik in der zweiten Geschichte. Diese Weiterentwicklung sorgte einerseits dafür, dass die Menschen sich nicht nur von der Technik abhängig machten, sondern dadurch wieder zu Primaten rückentwickelten. Oder aber auch die banale Diskussion darüber, warum Alissa nicht einfach mit ins Weltall fliegen kann, sondern nur wenn sie Ferien hat - Schule ist verpflichtend und wichtig... Denn wie oft kommt es in Büchern vor, dass die Helden einfach auf Arbeit, in der Schule oder sonst wo Fehlzeiten verzeichnen, aber es niemanden stört? Ja, nicht einmal die Eltern?

Für die politisch Interessierten:
In manchen Punkten erkennt man in dem Kinderbuch durchaus einen Hang zur damalig bestehenden UdSSR. Es sind Begriffe wie Kosmonauten oder Kosmodrom, Namensgebung und auch die Wertevermittlung an Alissa, die daran erinnern lassen. Trotzdem ist das Buch selbst aber frei von sämtlichen politischen Konflikten, die zur damaligen Zeit herrschten.

Nachdem ich mich eingefunden hatte, verschaffte mir das Lesen sehr viel Freude. Die erste Geschichte um die kosmische Pest war mir leider noch zu kurz - Ich liebe Zeitreisen.
Zwar konnte ich mich nun durchaus nicht mehr mit einem der Charaktere identifizieren, doch war es eine gute Unterhaltung auf meinen Bahnfahrten. Der Kopf wurde zum Fantasieren angeregt - wie soll man sich bitte einen Außerirdischen mit Fangarmen vorstellen? Wer gar keine Idee hat... dem helfen aber vielleicht auch die Illustrationen, welche sich im Buch an diversen Stellen befinden.




Das Mädchen aus der Zukunft.
Kir Bulytschow.
Der Kinderbuch Verlag Berlin, 1987, 175 Seiten
ASIN: 3358001555
Preis: -

Donnerstag, 19. Mai 2016

Rezension: Unterm Birnbaum

Jedem wird wohl noch der "Herr von Ribbeck von Ribbeck auf Havelland" ein Begriff sein, in dessen Garten ein Birnbaum stand.
Dass der Birnbaum selbst allerdings eine eigene Geschichte vorweist, die recht wenig mit dem schönen Gedicht Fontanes zu tun hat, dürfte dann eher wenigeren bekannt sein.




Kaufmann und Schankwirt Abel Hradscheck ist verschuldet und entdeckt eines Tages beim nächtlichen Umgraben seines Gartens die alte Leiche eines französischen Soldaten.
Dies gibt Hradscheck allerdings Anlass, den anrückenden Schuldeneintreiber zu ermorden und mit Hilfe des gefundenen Toten die Tat zu vertuschen.
Seine Frau kann dies Vergehen allerdings nicht verkraften und zerbricht an den Schuldgefühlen, obwohl Hradscheck tatsächlich den Verdacht von sich lenken kann und aus erster Gewahrsamkeit wieder freikommt.
Die in seinem Keller vergrabene Leiche will er eines Tages umbetten, kommt aber durch ein Missgeschick selbst zu Tode und wird am nächsten Tag gemeinsam mit dem Ermordeten von den Dorfbewohnern aufgefunden.

Fontane bringt in seiner Kriminalgeschichte die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und damit auch beschreibende Charaktere hervor:


  • Der unglücksame aber auch schlechte Geschäftsmann Hradscheck, welcher auf der einen Seite Angst vor Nachrede hat, zweitklassige Waren anzubieten und den Speck so lieber des Nachts in seinen Garten vergräbt, aber auf der anderen Seite sogar einen Mord begehen kann.
  • Seine tüchtige, aber doch nicht dem Reichtum und des Geldes abgeneigte Frau Ursel, welche ein labiles Nervengeflecht besitzt und daran zugrunde geht - wobei sie lieber alles wäre, nur nicht arm.
  • Der fromme Pfarrer Eccelius, welcher die Beichten von Hradschecks Frau aufnimmt und ihr ein guter Berater und Freund wird und das Gewissen des Dorfes verkörpert.
  • Der Junge Ede, der "Narr" in der Geschichte
  • Die alte Jeschke, das Tratschweib, welches aber gleichzeitig eine der Hauptärgernisse für Hradscheck bedeutet, weil sie ihre Augen überall zu haben scheint
  • ...

Fontane gibt dem Dorf außerdem ein Leben durch gesellschaftliches Treiben im Wirtshaus, heiteren Plaudereien und Aberglaube - Dinge, die sich selbst entfalten, mehr Macht gewinnen und so die Dorfbewohner nicht nur zu dem voreiligen Schluss kommen lassen, dass Hradscheck den toten Soldaten im Garten ermordete - was faktisch nicht stimmen konnte - sondern ihnen auch noch aufzeigen, dass sie damit die Ehre eines Mannes ihresgleichen beschmutzt hatten und solch ein falsches Urteil zu entscheidenden Konsequenzen führen kann.
Dass sie mit ihrer anfänglichen Vermutung in anderer Hinsicht richtig gelegen hätten, ist dann jedoch eine andere Geschichte.

Wie man es von Hamburger Leseheften kennt, erwarten einem zum Schluss nicht nur nützliche Informationen hinsichtlich Begrifflichkeiten im Werk selbst (allerdings keine sprachlichen, bezogen aufs Plattdeutsche!), sondern auch ein kurzer Lebensabriss Fontanes und eine ausführlichere Erläuterung zur Einordnung des Birnbaums in die Zeitlinie seiner Werke.

Das Plattdeutsche ist in den meisten Fällen gut zu verstehen - Geheimnis dahinter, wie es meist mit Dialekten ist: nicht lange darüber nachdenken, sondern lesen und vor sich hinsprechen.


Einschätzung

Zunächst: natürlich schadet es nicht, wenn man sich ein Langenscheid Lilliput Plattdeutsch Wörterbuch anschafft, aber man wird auch ohne in den meisten Fällen zurechtkommen.
Gerade bei Charakteren wie die alte Jeschke ist aber jener Dialekt lebensfördernd.

Fontanes Werk lässt sich zweimal lesen - Erst dann fallen einem kleine Einzelheiten auf, die man zunächst übersah und welche bereits Hinweise auf spätere Vorkommen geben. Sei es die Wichtigkeit des Birnbaums in seiner Bedeutung oder jene Wichtigkeit der Ölfässer.
Wie man es schon aus seinen Balladen her kennt, ist die Sprache das I-Tüpfelchen der Geschichte.
Besonders, wenn es um die naturellen Beschreibungen geht, zeigt sich Fontanes Talent, wundert dies aber nicht, wenn man an seine vierbändige Wanderungen durch die Mark Brandenburg denkt.

Unterm Birnbaum ist ein kurzes Lesevergnügen, das man aber nicht unterschätzen sollte.
Mit den Charakteren kann man sich zwar nicht unbedingt identifizieren, dafür erlebt man aber als Zuschauer ein tolles Zusammenspiel der unterschiedlichsten Personen und wie sie entsprechend miteinander zu agieren verstehen.
Gerade das sehr ironische Ende Hradschecks ist ein Ausgang, den ich so nicht erwartet hätte.
Wer hinzukommend Wert auf gut gewählte Worte legt, ist bei Fontane mehr als gut aufgehoben.



Unterm Birnbaum
Theodor Fontane
Hamburger Lesehefte, 85 Seiten
ISBN-10: 3872911538
ISBN-13: 978-3872911537
Preis: 1,60€

Aktuelles und ein Leseprofil

Hallo meine lieben Leseratten!

Wie geht es euch?
Wie geht es euren Bücherstapeln?
Bei mir sammelt sich schon wieder so einiges an, aber ich bin fleißig dabei, alles abzuarbeiten.

Aktuell las ich "Nesthäkchen and the World War" - Manche von euch werden Else Urys "Nesthäkchen"-Reihe durchaus kennen: Die (Lebens)Geschichte von Annemarie Braun, ein gescheites, aufgewecktes Kind, das zu einem Backfisch heranreift und dann selbst noch im Alter von sich zu erzählen weiß.
Bei den bekannten Büchern wurde oftmals eines ausgelassen: "Nesthäkchen und der Weltkrieg".
Der vierte Band landete nach 1945 auf der Zensurliste - und das nicht nur einmal.
(Einen ausführlichen Bericht zu dem vierten Band der Nesthäkchen-Bücher gibt es dann zu Zeiten im Blog.)
Vorab aber dennoch:
Wer allerdings ein bisschen schmökern möchte, was Vergleiche verschiedener Nesthäkchen-Versionen betrifft, den verweise ich auf diese Forumsseite. Es ist nur ein kleiner Einblick, aber durchaus interessant.
Wem immer noch Fragezeichen auf der Stirn geschrieben stehen, mag hier einmal (kritischen Blickes!) vorbeischauen - vor allem bei einigen Leserkommentaren, die durchaus mehr versprechen als der Artikel selbst.



Wo wir schon bei Seiten sind... auf dieser gibt es ebenso eine neue 


Schaut doch mal vorbei! :)

Freitag, 22. April 2016

Rezension: Elisabeth. Kaiserin wider Willen

Als ich im Februar spontan das Musical "Elisabeth" besuchte, wusste ich nur entfernt, worauf ich mich einlasse. Die musikalische, theatralische Darstellung der Kaiserin Österreichs hinterließ mit Roberta Valentinis Spiel allerdings solch einen Eindruck, dass ich mich daraufhin näher mit "Sisi" beschäftigen wollte.
Ich habe die damaligen Romy Schneider Filme nie gesehen und war an sich schon überrascht, dass das Musical die Kaiserin mit wenig Kitsch darzustellen wusste.

Nun bin ich allerdings nicht gerade in Biografie-Kenner und musste mich daher im Buchladen beraten lassen. Das vorliegende Werk war mir bereits beim Stöbern auf Amazon aufgefallen und prompt habe ich es dann im Laden bestellt.




Elisabeths Leben wird auf 600 Seiten behandelt und beleuchtet nicht nur das Zusammenleben mit Franz Joseph und umgeben vom Wiener Hof, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Umstände der damaligen Zeit sowie - und das äußerst detailliert - das Seelenleben der Kaiserin.
Wir beginnen mit der Einleitung, den Familienverhältnissen der jungen Elisabeth - Ihr Verhältnis zu den Schwestern und zu ihren Eltern. Es zeigt sich bereits in diesen ersten Seiten, wie wichtig die Mutter für eine Tochter war. Nicht zuletzt sollte eine jede Tochter so schnell wie möglich einen passenden Heiratskandidaten finden.

Das plötzliche Aufeinandertreffen und Verlieben Franz Josephs in die gut sieben Jahre jüngere Sisi und die Reaktionen des Wiener Hofes auf dieses noch so ungezähmte Mädchen ohne jegliche Reize und Chic prägen das erste Kapitel.
Gemeinsam mit der Episode der Hochzeitsvorbereitungen und jener Hochzeit selbst zeigt sich in Hamanns Werk, wie sehr Sisi dem Druck des Hofes nicht gewachsen war und nicht gewachsen sein wollte. Sie war schon immer scheu gegenüber Fremden und verfiel des öfteren in Panikattacken, welche sich auch in ihrem späteren Leben nicht legten, wenn gleich sie allerdings Möglichkeiten fand diese Situationen zu umgehen.

Die Mutter Franz Josephs, Erzherzogin Sophie, spielte noch bis zu ihrem Tod eine tragende Rolle im Leben des Kaiserpaares. Sie selbst galt bis zu Elisabeths Aufkommen als heimliche Kaiserin Österreichs, da ihr Mann wegen geistiger Umnachtung unfähig war zu regieren. Auch war sie es, die Franz Joseph auf seinen Thronbestieg als Kaiser vorbereitete.
Hamann beschreibt anhand vieler Tagebuch- und Briefquellen der Bediensteten des Hofes, wie Sisi versuchte dem Hofleben zu entfliehen und mit welchen Strapazen das Personal dabei zu kämpfen hatte, um ihren unstillbaren Durst nach Extravaganzen zu stillen.

Besonders das Kapitel "Ungarn" spielt eine prägnante Rolle für die weitere Entwicklung Elisabeths und die Autorin nimmt sich die Zeit, jene Episode ausführlich in ihren Einzelheiten zu beleuchten und auch die Verstrickungen diverser ungarischer Landsmänner mit der Kaiserin zu klären.

In ihrem Leben distanzierte sich Elisabeth nicht nur immer mehr von ihrem Ehemann, sondern auch von ihrer Familie. Ihre jüngste Tochter Marie Valerie war das einzige ihrer Kinder, welches Sisi als Mutter in ihrer Nähe hatte. Gisela und Rudolf wurden damals von Sophie früh von der Mutter ferngehalten und erst spät wusste sich Elisabeth ihrer Schwiegermutter und den damaligen internen Richtlinien zu widersetzen.

Je älter sie wurde, desto mehr zog sie sich in Einsamkeit zurück und in Ausübung exzessiver Freizeitbeschäftigung: So waren kilometerlange, schnelle Wanderungen zu unmöglichen Zeiten keine Seltenheit, nachdem Elisabeth zuvor jahrelang Jagdritte unternommen hatte (bis es ihr gesundheitlich nicht mehr möglich war). Ihre Hungerkuren ließ sie auch in den späteren Lebensjahren nicht aus und ihre Gymnastik- und Turnstunden waren regelrecht skandalös - immerhin war es nicht gerade üblich, die Kaiserin in einem Sportanzug in der Turnhalle vorzufinden.

Das Leben von Sisi fand ein unerwartetes Ende, als sie von dem Attentäter Luigi Lucheni erstochen wurde. Es handelte sich hierbei um keinen geplanten Mord. Vielmehr war Elisabeth zur falschen Zeit am falschen Ort, da er sich zunächst ein anderes Opfer der Aristokratie ausgesucht hatte.
Ihr Tod hingegen brachte ihm durchaus den Ruhm ein, den er als Anarchist einheimsen wollte. Nicht zuletzt aber auch Arrest, welchen er mit Suizid beendete.



Einschätzung

Hamann bringt das Leben Elisabeths in einer angenehmen Form an den Leser.
Ich bin mit Biografien nicht vertraut, doch empfinde ich die romanartige Schreibweise sehr einprägend. Solide und ansprechend geschrieben, gibt es allerdings immer mal wieder unpassende Wortwahlen, über welche man beim Lesen stolpert: "krass", "mal wieder" und "nicht gerade" sind Formulierungen, die öfters fallen.
Wünschenswert wären zuweilen Übersetzungen fremdsprachlicher Äußerungen gewesen, da Französisch kein unwesentlicher Bestandteil am Hof ist und nicht jeder Leser dieser Sprache mächtig ist. Eine kurze Anmerkung zu damaligen Begrifflichkeiten, die heute keinerlei Anwendung mehr finden, oder auch eine Niederschrift des Nachrufs Franz Josephs hinsichtlich Elisabeths Tod würden dem Lesevergnügen noch einen weiteren Pluspunkt bescheren - letzteres auf Grund der alten Frakturtype, welche damals Verwendung fand.

Die Autorin sagt selbst, dass sie die Ereignisse nicht in absolut chronologischer Reihenfolge aufbringt, sondern für das bessere Verständnis in sachliche Themenkomplexe packt. Auf der einen Seite ist es so wirklich einfacher, die geschichtlichen Hintergründe zu erfassen. Auf der anderen Seite entstehen natürlich auch viele Zeitsprünge in die Vergangenheit, was wiederum den Lesefluss einschränkt.

Der historische Kontext ist für eine Biografie zu Elisabeth nicht außer Acht zu lassen - gerade die außenpolitischen Verwicklungen Österreichs waren eine Last in der Ehe des Kaisers und der Kaiserin, die nicht zuletzt auch durch Sophie immer wieder für Diskrepanzen sorgte.
In kurzen Intervallen werden die einzelnen Ereignisse beleuchtet, teilweise fernab von Sisi und Franz Joseph, sind aber nie unnötig lang gehalten.

Ein besonderes "Extra" zeigt sich für mich im letzten Drittel des Buches:
Hier kommen die Gedichte Elisabeths zu tragen, welche sie über die Menschen in ihrer Umgebung, über ihren angebeteten Heinrich Heine oder die Landeszukunft fantasierte. Diese Beschäftigung ihrerseits ging sogar soweit, dass sie einen Nachlass für die Zeit nach ihrem Tod gestaltete: Ein jeder sollte sich an die Kaiserin erinnern.
Hamann geht darauf ein, dass sich Elisabeth als große Dichterin empfand, ihre Lyrik selbst hingegen nichts besonderes war. Inwiefern diese Wertung zutreffend ist, mag ein jeder selbst einschätzen.

Neben jenen Gedichten beleuchtet Hamann vier weitere Personen ausführlicher, die nicht unwesentlichen Einfluss auf Elisabeths Leben nahmen: Hier wäre der Cousin Ludwig II. von Bayern zu nennen, welcher als geistig umnachtet galt und sich im Starnberger See wohl ertränkte. Als nächstes dann Franz Joseph selbst, welcher besonders unter der Distanz zu seiner Frau litt. Die dritte Person ist Sisis einziger Sohn Rudolf, welcher seiner Mutter mehr ähnelte als dem Vater - leider auch in der Labilität, und letzten Endes Suizid beging. Die letzte Person ist Marie Valerie - Elisabeths Jüngste, an dieser Stelle eine erklärende Funktion für die Eigenarten von Mutter und Vater und der sich wandelnden Ansichten beider Parteien darstellend.

Im Anhang befindet sich ein Stammbaum der kaiserlichen Familie und eine kurze Zeittafel damaliger Zeit. Zuletzt ist noch ein ausführliches und sorgfältig geführtes Verzeichnis der Zitate und Belegquellen zu nennen, die Hamann für ihr Buch heranzog.

Ebenso nicht außer Acht zu lassen ist der illustrative Anteil im Buch: Auf vielen Farbseiten präsentiert sich die kaiserliche Familie in Form von Gemälden und Fotografien.

Für mich als "Anfängerin" - sowohl in Sachen "Elisabeth" als eben auch Biografien - verbinde ich mit diesem Buch ein sehr positives Leseerlebnis.
Die historischen Bezüge ließen sich unproblematisch verstehen und einordnen.
Eine Beschönigung der Kaiserin findet keineswegs statt - eher wird man sich den vielen Mängeln bewusst, welche Elisabeth besaß und weiter ausbaute, je älter sie wurde. Trotzdem zeigt sich aber auch eine Entwicklung ihrer Person, niedergeschrieben in angenehmer Geschwindigkeit: von dem viel weinenden Mädchen zu einer starken, wenngleich egozentrischen Persönlichkeit, bis hin zu einer sich in Spiritismus und Fantasien verlierenden alten Frau. Alles nur, damit sie aus dem goldenen Käfig fliehen könnte, in den sie gesperrt wurde.




Elisabeth. Kaiserin wider Willen.
Brigitte Hamann.
Piper Verlag, 640 Seiten
ISBN-10: 3492301800
ISBN-13: 978-3492301800
Preis: ab 14,99€

Sonntag, 10. April 2016

Rezension : Das verhaßte Alter

Ich bleibe gerne einmal beim Wühltisch unseres kleinen Buchladens stehen.
Dieses "moderne Antiquariat", welches der Ladenbesitzer nebenbei betreibt, bringt die interessantesten Bücher wieder ans Tageslicht: ob alte Stadtführer zu Berliner Ortsteilen, Bildbände klassischer Maler oder auch alte russische Kinderbücher...

Vor einiger Zeit stieß ich nun auf "Das verhaßte Alter" - eine Sammlung an Prosatexten diverser japanischer Autoren, übersetzt aus dem Englischen von Ingrid Rönsch, Monique Humbert und Liane Wagner.
Ich möchte hierbei nur drei Geschichten beleuchten, die mir besonders gefallen haben, ehe ich zu einem Fazit komme.





Leben bei Herrn Tange - Ibuse Masuji

Die Geschichte spielt im Leben des 67jährigen Steuerbeamten Tanges und seines zehn Jahre älteren Dieners. Der Erzähler (und hierbei auch die dritte agierende Person in der Erzählung - ein Sammler aus Tokyo, welcher den Ort aufsucht, um Ausgrabungen von Steingut vorzunehmen) beobachtet, wie Tange seinen Untergebenen wegen schlechten Verhaltens zurechtweist und schließlich zur Arbeit aufbricht.
Aus seinem eigenen "Versteck" auftretend, unterhält sich der Erzähler mit dem Diener und erfährt, dass dieser Tange bereits seit frühen Jahren kennt und es sein Lebensinhalt geworden ist, ihm zu dienen. Zwei Tage später erhält der Diener einen Brief, welchen er dem Erzähler zeigt.
Tange selbst ist neidisch über diese Postsendung und prahlt mit seiner beträchtlichen Anzahl an Neujahrskarten, welche er natürlich als großer Unternehmer erhalten hat.

Der bis dahin namenlose Diener wird nun als Tanishita Eisuke identifiziert. Der Absender des Briefes ist Tanishita Otatsu, seine Ehefrau. Sie lässt wissen, dass über ihren Mann geredet wird und sie so auch von seiner schlechten Dienstbarkeit und seinen Züchtigungen weiß. Eisuke ist niedergeschlagen und geht Bäume fällen, um Aufheiterung zu finden.
Es vergehen zwei Wochen, in denen der Erzähler an seinen Ausgrabungen arbeitet und in denen auch Eisukes Frau angereist kommt. Gemeinsam mit Tange und ihr einen Plausch führend, kommt es schließlich zur Gegenüberstellung Otatsus und Eisukes, die sehr eisig ist. Ihren Mann zurechtweisend, wechseln sie trotz der zweijährigen Abwesenheit voneinander kaum Worte.
Die Ehe der beiden war von Anfang an nicht sehr heimisch, da sie beide aus keinem wohlhabenden Haus kamen und so jeder für sich Arbeit suchen mussten. Sie hatten keine Zeit, sich wirklich kennenzulernen und anzunäheren, was die Distanz und rechte Lieblosigkeit zwischen den beiden erklärt.

1931


Das verhaßte Alter - Niwa Fumio

Die alte Ume, Großmutter von Senko und Ruriko, lebt im Haus Senkos und ihres Mannes Itami. Mit ihren Eigenheiten und beginnender Demenz sorgt sie für viele Turbulenzen. Itami fühlt sich dadurch besonders genervt und empfindet das Zusammenleben als Qual. Obwohl Senko ihre 86jährige Großmutter anfangs gegen seine Launen in Schutz nimmt, wird sie von ihm doch umgestimmt als herauskommt, dass Ume verlauten ließ, dass sie in der Familie verhungere.
Nun soll Ume zu der Schwester Senkos, Sachiko und deren Mann Minobe, in die Berge gebracht werden. Diese Aufgabe muss Ruriko übernehmen. Im Zug trifft sie auf eine andere junge Frau, welche dieselbe Mission hat. Sie finden Gemeinsamkeiten in den Eigenarten der beiden alten Frauen und so auch in ihrer beider Schicksal.
Sachiko wird mit dem Besuch der beiden überrascht und es kommt zu einem Disput zwischen den beiden Schwestern. Der Ehemann Minobe kann sich am schnellsten mit der Situation arrangieren und versucht das Beste draus zu ziehen. Aber auch hier wird schnell klar, dass die alte Frau mehr lästig ist als alles andere: Zu den üblichen Marotten kommt hinzu, dass Ume zu bunkern beginnt und Nahrung aus dem Haushalt verschwinden lässt.
Minobe findet allerdings den guten Kern in der so gehässig wirkenden Frau wieder, als er ihr ein Foto ihrer verstorbenen Tochter zeigt, welche sie so vermisst. Für einen kurzen Moment trägt sie einen klaren Moment. Auch Ume ist ein Opfer des Alters war und tat bisheriges nichts mit böser Absicht.

1947


Agui, das Himmelsungeheuter - Oe Kenzaburo

Der achtzehnjährige namenlose junge Mann ist auf der Suche nach einer Beschäftigung, welche er neben dem College absolvieren kann. Sein Onkel macht ihn mit dem Bankdirektor bekannt. Dessen Sohn, ein bekannter Komponist, leidet unter Halluzinationen und braucht einen Begleiter um alltägliche Dinge des Lebens zu verrichten.
Sein Dienstherr "D", so von dem Protagonisten genannt, sieht sich selbst als Verrückten an, macht aber alles in allem einen recht normalen und intelligenten Eindruck.Schnell wird dem jungen Mann aber vor Augen geführt, wie sich die Halluzinationen Ds zeigen: Als sie das erste Mal auswärts gehen, blickt D in den Himmel und erklärt seinem Begleiter, dass man "ihn" bei schönem Wetter gut zu sehen bekommt. Bei einem Gespräch mit der Pflegerin erfährt der Protagonist, dass es sich bei dem Wesen um ein dickes Baby in weißem Nachthemd handelt und von D "Agui" genannt wird.
Agui - das sei der Geist des toten Babys seiner damaligen Frau und ihm.
Das Kind war mit einer Geschwulst zur Welt gekommen, welche medizinisch falsch eingeschätzt und ihm somit keine reale Lebenschance ausgerechnet wurde. Überredet von dem Arzt, ließ D das Kind töten. Nachdem allerdings die Wahrheit ans Licht kam, dass es gar nicht hätte sterben müssen, verlor sich D so sehr in Leid, dass er anfing zu halluzinieren.

Die Dienste des jungen Mannes endeten an Heiligabend, als D beim Übergang einer Straße aufschreit und sich zwischen zwei Fahrzeuge wirft. Ob es Selbstmord war? Sollte er D die ganze Zeit nur bei seinem Versuch zu sterben helfen? Oder waren das Hirngespinste?
Erst als er zehn Jahre später von Kindern mit Steinen beworfen und am Auge schwer verwundet wird, scheint der damalige Junge die Schwere der Zeit zu verstehen, die auch D belagert hat und kann fortan diese Schatten hinter sich lassen... der Schatten, ein Agui. Wie viele weitere in seinem eigenen Himmel.

1964


Einschätzung

"Neben der lyrisch verhaltenen Schilderung steht die klinisch-realistische Beobachtung, die subtile, unterkühlte Beschreibung. Erstaunlich unsentimental und mit deutlichen Gespür für Zwischentöne gestalten die Autoren komplizierte psychische Situationen, wobei sie sich der Verletzlichkeit jeder menschlichen Beziehung bewusst sind."
Dieses Vorwort von 1981 entspricht in meinen Augen auch noch der heutigen japanischen Prosa.
Vergleiche ich dieses Buch hier z.B. mit "Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" (Kawakami Hiromi) oder "Naokos Lächeln" (Murakami Haruki), zeigt sich mir in allen dieser Geschichten die besagte Emotionalität und das Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen.
Erzählungen wie "Agui" oder vergleichsweise die Romane von Yoshimoto Banana sind zumeist jene, welche sich eingehend mit der Psyche des Menschen beschäftigen. Nicht selten sind sie von melancholischer oder gar depressiver Natur und wissen auch den Leser in eine grundlegende Melancholie zu versetzen.
Der westliche Erzählstil ist meist klarer, geradliniger und gleichzeitig zurückhaltender, was das Seelenleben betrifft, während der japanische ins Unterbewusstsein greift, den Leser dazu bringt, sich mit einer der Figuren zu identifizieren und seine eigene Welt in Frage zu stellen.

Man kann meiner Meinung nach bei dieser Art japanischer Geschichten (und auch Filmen) nicht viel Aktivität im Handlungsstrang erwarten. Das Erzählte gleicht meist dem Tempo des Lebens. Wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht, dann war es dies aufgrund des Lebens selbst, nicht einer Schreibtechnik oder Autorenlaune wegen. Wenn die Episode wenig Handlung zeigt, so wird dies allerdings aufgrund intensiver (innerer) Auseinandersetzungen der Personen mit sich selbst oder anderen wieder wettgemacht.
Daher mögen sich die von mir hier gesondert gewählten Prosatexte nicht unbedingt spannend lesen, doch überzeugen sie vor allem in Gefühl und den Worten, welche zwischen den Zeilen stehen.

"Das verhaßte Alter" zeigt dieses in seinen unterschiedlichsten Facetten, Wirkungsweisen und Folgen: Sei es nun die langjährige Beziehung zwischen Diener und Herren oder aber die zur Routine werdende Ehe eines jungen Paares. Sei es der typische Generationskonflikt zwischen Alt und Jung oder gar die Vergänglichkeit des eigenen Lebens.
Man findet in jener Sammlung gewiss keine Antworten auf die Mysterien, welche uns im Laufe der Zeit erwarten, wohl aber viele Situationen, bei denen man denkt: "Das kommt mir bekannt vor!"

Ich bin hierbei sehr dankbar für die gute Übersetzung, die sich sehr fließend lesen und keine Fragen offen lässt: Worte, die mit Bedacht gewählt wurden, um den Charme zu erhalten und in seiner Eigenart zu unterstützen.




Das verhaßte Alter. Erzählungen.
Ibuse Masuji, Niwa Fumio, Yasuoka Shotaro, Oe Kenzaburo, Kono Taeko, Furui Yoshikichi.
Übersetzer: Ingrid Rönsch, Monique Humbert, Liane Wagner

Verlag Volk und Welt Berlin, 194 Seiten
Bestellnummer: 6479408
ASIN: B004DATMPC
Preis: ab 0,55€

Sonntag, 27. März 2016

Rezension: One Liter of Tears

Ich bin ein großer Fan japanischer TV-Serien, die zu der Kategorie "Drama" gehören und stieß dabei Ende 2008 /  Anfang 2009 auf die elfteilige Serie "One Liter of Tears" (ausgestrahlt 2005, Fuji TV) .
Zweite große Leidenschaft waren bis dato japanische Serien, die bestimmte Krankheitsbilder behandeln und entsprechend von den Menschen erzählen, welche an entsprechender Krankheit leiden.

"One Liter of Tears" hat mich hierbei so berührt, dass ich auf der Suche nach den Originaltagebüchern war. Glücklicherweise fand ich eine englischsprachige Ausgabe dieser und hatte mir diese gekauft.




Ein Tagebuch, ein Nachlass


Die Tagebucheinträge ergeben nicht einfach nur eine zusammenhängende Geschichte, sondern sind Hinterlassenschaften einer Person, die tatsächlich jeden Tag kämpfte und diesen Kampf schließlich verlor. Doch "gewann" sie auch, denn als Person wuchs sie über sich hinaus und hatte den Freitod nie als einen Ausweg empfunden. Bis zuletzt war sie gewillt dem Leben positiv entgegen zu treten.Schon vor Ausbruch ihrer Krankheit hielt Aya ihr Leben auf Papier fest, doch werden die Einträge weitaus nachdenklicher und intensiver, sobald sich erste Symptome zeigten und schließlich die Diagnosestellung folgte.
Das Tagebuch, welches Kitou Aya auf Anraten der Ärzte vor allem zur Beobachtung ihres Krankheitsverlaufs dienen sollte, wurde zu ihrem besten Freund - Gedanken, Ängste und Wünsche, die sie aus Rücksichtnahme nicht ihrer Familie anvertrauen wollte und / oder konnte.
Hoffnungen, Selbstreflexion, Beobachtung anderer gesunden Jugendlichen ihres Alters...
Dies alles findet Platz in den vielen Heften, die sie füllte, ganz gleich wie schwer es ihr fiel.

Dass Kitou Ayas Worte an die Öffentlichkeit gebracht wurden, verdanken wir zum einen natürlich den Interessenten des Verlages, aber auch ihrer Mutter. Sie kümmerte sich nicht nur hingebungsvoll um ihre älteste Tochter und natürlich auch um die übrige Familie, sondern verwaltete Ayas Notizen und war Ansprechpartner für alle Fragestellungen, die sich in diesem Veröffentlichungsprozess ergaben.


Das Leben von Kitou Aya, welches nur 25 Jahre andauerte...


Kitou Aya wurde am 19. Juli 1962 geboren und starb am 23. Mai 1988 an den Folgen ihrer unheilbaren Krankheit: "spinozerebelläre Ataxie" (spinocerebellar ataxia), SCA - eine vielseitige Nervenkrankheit, deren Auftrittswahrscheinlichkeit 1 zu 100.000 beträgt. Die Purkinjezellen, die größten Neuronen des Kleinhirns, sterben ab und es kommt in Folge dessen zu neurologischen Ausfällen. Anfangs mit Bewegungsstörungen, Sehstörungen, abnehmenden Orientierungssinn und schwindender Wahrnehmung einhergehend, folgen sprachliche Ausfälle, Zittern, Schluckbeschwerden und weitere Symptome, die letztendlich zum Tod führen.
Selbst heute gilt die spinozerebelläre Ataxie als unheilbar, trotz allem aber behandelbar: Rehabilitation, Medikamente, regelmäßige Untersuchungen und die Stärkung des Kampfgeistes und des Willens der jeweiligen Patienten.

Kitou Ayas Tagebuch (1976-1984) beginnt mit den unschuldigen Einträgen eines 14jährigen Mädchens, welches mit ihrer Familie in ein neues Haus zieht und mit dem Tod ihres kleinen Hundes zurechtkommen muss.
Als ältestes Kind der Familie möchte sie natürlich auch genau so sein: eine Erwachsene. Sie sieht sich hierbei aber auch oft im Zwiespalt mit ihrer noch kindlichen Erscheinung und Verhaltensweise. Aya streitet sich oft mit ihrer 13jährigen Schwester Ako und zeigt besonders ein inniges Verhältnis zu ihrer Mutter, während die Brüder und ihr Vater in den Tagebüchern weniger Nennung finden.
Sie ist eine pflichtbewusste Schülerin, die sich sehr viel aus Verantwortung macht, und sich selbst immer wieder zu jener ermahnt - schulisch, aber auch privat. (Anm.: In Japan gibt es z.B. Aufnahmeprüfungen für weiterführende Schulen und Universitäten, so dass die Schüler zum stetigen Lernen angehalten sind)

Bereits im selben Sommer bemerkt Aya allerdings das Abfallen ihrer sportlichen Leistungen in der Schule. Sie wirkt immer tollpatschiger und fällt letzten Endes hin, wobei sie sich das Kinn aufschlägt - Normalerweise würde sich ein Mensch mit den Händen versuchen abzufangen, aber Aya fiel einfach zu Boden. Ihre Mutter bringt Aya ins Krankenhaus für ein Check-Up und die Bedenken zeigen sich gerechtfertigt:
Alsbald nimmt die Gangverschlechterung zu, sie muss den Sportunterricht ausfallen lassen und ihre Oberschulauswahl ist an ihre Wohnortnähe gebunden, damit sie nicht so weit zwischen Haus und Schule pendeln muss. (Anm.: Es ist durchaus normal, dass japanische Schüler weite Strecken pro Tag auf sich nehmen, um zu ihrer Schule zu gelangen)

Im Rahmen der erfolgreichen Aufnahmeprüfung für die Higashi Oberschule, feiert Aya dies im Kreise ihrer Familie mit einem kleinen Festessen.
Trotz aller Vorfreude weist ihre Mutter sie auch auf die harte Realität hin, die sie erwarten wird: Sie wird von den Mitschülern anders behandelt werden, weil sie nicht gesund und eingeschränkt in ihrer Mobilität ist. Weil sie öfter unbewusst grimassiert und weil sie schwächlich ist.
Sie wird auf diese angewiesen sein und muss sich und ihre Grenzen kennen und akzeptieren lernen.
Es zeigt sich ein weiteres Mal, wie umsichtig und ehrlich Kitou Shioka ist: Die Mutter 
ermuntert und motiviert ihre Tochter nicht nur, sondern legt ihr auch die Dinge vor, welche im Angesicht der Krankheit bedacht werden müssen.
Aber auch Aya besitzt für eine 15jährige bereits genug Feingefühl und geistige Reife um die Auswirkung ihrer Krankheit auf ihre Familie zu spüren: Ein weiterer Grund, warum sie sich mit allem "negativen" nur ihrem Tagebuch anvertraute und sich immer wieder ermahnte zu kämpfen und nicht nachzulassen - sie wollte ihrer Familie nicht zur Last fallen.

Aufgrund der immer schlechter werdenden Verfassung muss Aya schließlich an eine Körperbehindertenschule wechseln. Diese Veränderung erfordert viel Mut und Kraft - Immerhin bedeutet es, dass sie fortan nicht normal zur Schule gehen kann und dass sie auch keine normale Schülerin mehr ist.
Es ist ein Zugeständnis, dass sie nicht so genesen kann wie sie es will.
Aya setzt sich zunehmend mit dem Begriff der Behinderung auseinander und findet mit einem Mal viele Parallelitäten von Dingen, Situationen und Lebewesen zu ihrem Leben.
So ist z.B. der Zoobesuch eine deprimierende Erfahrung, weil Aya nur traurige, aggressive oder leidende Tiere sieht und deren Zustände mit ihrem eigenen zu vergleichen weiß.

Der Abschied von ihrer Oberschule fällt ihr sichtlich schwer: Sie hatte sich nicht nur eingelebt, sondern auch Freundschaften geschlossen, ihren Platz gefunden.
In solchen Momenten kommt ihr dichterisches Sein zum Vorschein, mit dem sie ihre Gefühle besser ausdrücken kann:

Die Klassenraumtische abwischend,
Es ist lustig Geschmiere zu finden,
Und die guten Eigenschaften all
meiner Klassenkameraden zu entdecken.


(Anm.: Es handelt sich hierbei um ein Haiku, ein traditionelles japanisches Gedicht. Es kann in seiner eigentlichen Form nicht in andere Sprachen übersetzt werden, da es ein bestimmtes Silbenmaß folgt)

Als Schülerin der Körperbehindertenschule wohnt Aya fortan in einem Schülerwohnheim, welches von Betreuern verwaltet wird. Hierbei lernt sie selbstständig zu leben, muss den Haushalt führen, dass Mehrbettzimmer in Ordnung halten, etc. - Ihre Krankheit ist keine Ausrede für Faulheit. Ihre Krankheit ist keine Entschuldigung für Verspätung. Auf mitunter sehr barsche Art muss Aya dies lernen, doch bringt es sie wohl auch dazu, dass sie die nächste Veränderung schneller akzeptieren kann: ein elektrischer Rollstuhl.
Die Vorzüge dessen werden ihr rasch bewusst: Die langvermisste Möglichkeit größere Strecken selbstständig zu überwinden und das in einer überschaubaren Zeitspanne.

Ayas Beschwerden werden im Laufe der Jahre immer schlimmer - die Feinmotorik verliert sich, sie kann nicht mehr singen, das Sprechen fällt schwer und auch verschluckt sie sich immer häufiger.
Mit dem Schulabschluss kehrt sie nach Hause zurück und für die Familie kommt es erneut zu einem Wandel. Als Aya damals die Schule wechselte, war die noch deutlich leistungsfähiger und selbstständiger als jetzt. Die Pflegebedürftigkeit hatte zugenommen, die Geschwister müssen sich nun mehr erst recht um ihre ältere Schwester kümmern.
Als Aya das Alter von 21 Jahren erlangt, wird sie schließlich zu schwach um ihre Tagebucheinträge fortzusetzen.

Ihre Mutter Shioka verfasste ein Postskriptum, welches nicht nur die letzten Momente Ayas auffängt, sondern auch die eigenen Gedanken und Gefühle und jene der Familie.
Zu guter Letzt wird der Leser auch noch durch das mehrteilige Nachwort der damaligen Ärztin Dr. Yamamoto über Ayas Krankheit aufgeklärt und der Schwere, die auf den Schultern des jungen Mädchens lastete.


Einschätzung


Im Gegensatz zu Romanen und auch Sachbüchern kann man Autobiografien bzw. Tagebücher in meinen Augen nur beschränkt bewerten. Eine Bewertung kommt für mich hierbei einer Bewertung des Lebens der Person gleich - und das kann ich natürlich nicht.

Wenn ich allerdings gefragt werde, was One Liter of Tears so lesenswert macht, dann fällt mir die Antwort eindeutig leichter:
Gerade weil es eine Sammlung an Tagebucheinträgen ist, erhält man einen intimen Einblick in das Leben, die Gefühlswelt und die Gedanken von Kitou Aya - unverschönt, natürlich, so wie Aya war: Eine Jugendliche voller Zweifel, Minderwertigkeitsgefühlen, Schwächen aber auch voller Tatendrang, Wünsche, Durchhaltevermögen und Stärken.

Ayas Leben vor Augen zu haben, diese Zeit mitzuerleben, lässt einen auch selbst vielleicht etwas reflektierter mit seinem eigenen Leben umgehen und daran erinnern, was wirklich wichtig in diesem ist.


Anekdote: die TV-Serie und der Film


Wie ich bereits anmerkte, wurden die Tagebücher als Serie adaptiert.
Die elf Episoden behandeln Kitou Ayas Leben vom Ausbruch der Krankheit bis zu ihrem Tod.
In einem zweistündigen TV-Special sehen wir zudem noch das Leben ihrer Liebsten nach ihrem Dahinscheiden und gleichzeitig eine Zusammenfassung der Serie.
Kitou Aya wird hier jedoch zu "Ikeuchi Aya" (dargestellt durch Sawajiri Erika, u.a. Shinobi, Taiyou no Uta) und im Gegensatz zu den damaligen 70ern wurde die Geschichte an die moderne Zeit hinsichtlich Technik, Mode und Umwelt angepasst.
Ebenso findet in der Serie ein Charakter Platz, welcher im Tagebuch nicht auftaucht: "Asou Haruto" . (dargestellt durch Nishikido Ryo, u.a. Attention Please, Mitglied der Band Kanjani8)
Dieser anfängliche Klassenkamerad wurde auf Wunsch von Kitou Shioka, Ayas Mutter, hinzugefügt, da ihre Tochter nie die Möglichkeit einer Jugendliebe besaß.
Ein eindeutiger Bezug zu Kitou Aya selbst befindet sich jeweils im Abspann einer Folge in Form von Fotos und Zitaten. Beides findet sich auch im Tagebuch als Zusatzmaterial wieder.

2004, ein Jahr vor der Serie, wurde ein gleichnamiger Film gedreht, der weitaus nüchterner und sachlicher das Leben von Kitou Aya beschreibt und weniger mit TV-Elementen (typischer "Gefühlskitsch") ausgestattet wurde. Jene Aya wird hierbei von Oonishi Asae verkörpert, welche in der Serie Ayas spätere Leidensgenossin "Oikawa Asumi" spielt.


Noch ein paar Extras im Buch


Da es sich hierbei um eine Ausgabe für Englischlerner handelt, finden sich im Buch ein japanisches Vorwort sowie eine Vokabelliste Englisch-Japanisch am Ende des Buches.
Es ist auf Level 4 angesiedelt, was einen Wortschatz von ca. 2000 Worten bedeutet.
Unsereiner sollte mit dem Stand von B1-B2 gut zurechtkommen.




One Liter of Tears. A young girl's fight for life (Aya's diary). Kitou Aya.
Yoko Toyozaki und Stuart Varnum-Atkin (Übersetzer)
F A Publishing, 
2007, 280 Seiten
ISBN-10: 4896844955
ISBN-13: 978-4896844955
Preis: ca. 12 €

Sonntag, 20. März 2016

Das Wunder der Literatur

Einen wunderschönen guten Tag,

nun sprießt ein weiterer Bücherblog aus dem Boden.
Inzwischen gibt es unzählige dieser und ähnlicher Art.
Trotzdem habe ich mit dem Wunsch hingegeben, mich einzureihen.

Als Kind habe ich es geliebt, wenn mir vorgelesen wurde - noch lieber, wenn meine Eltern die Geschichten so gut kannten, dass sie diese frei vorgetragen konnten.
Ich bewunderte sie, dass sie all diese Buchstaben aneinander reihen und somit lesen konnten.
Noch vor der Schule wollte ich das selbst können.

Nun, mit dem Namenschreiben und dem Alphabet hat das sogar funktioniert.
Auch konnte ich einfache Worte wie "Mama", "Papa" oder meine Adresse aufs Papier bringen, aber natürlich reichte dies nicht aus, um Bücher zu lesen.
Zumal ich dann unbedingt Muttis Bücher ins Auge gefasst hatte - dicke Wälzer, wobei "dick" für mich damals schon alles mit 200 Seiten beschrieb.

Als ich dann in der ersten Klasse kurze Sätze lesen lernte (oder auch privat längere), war es dann soweit und ich schnappte mir eines aus ihrem Regal. Ich weiß heute noch, dass es "Dr. Stefan Frank. Der Arzt, dem die Frauen vertrauen" war. Damalige beliebte Serie auf RTL.
Es brauchte eine Ewigkeit, bis ich zwei Seiten schaffte und ich lag abends auf dem Bauch im Bett und murmelte die Worte vor mich hin.
Denn wenn ich etwas nicht verstand, dann folgendes: Wie konnte man still lesen?
Wenn meine Mutter las, dann redete sie dabei nicht.
Natürlich stellte sich das mit genügend Übung von alleine ein, aber für mich kleines Kind war es damals ein Mysterium.

Nun mehr konnte man mir also auch Bücher schenken - und meine Familie war fleißig dabei.
Es waren natürlich Kinderbücher, doch wenn ich jene mit den heutigen vergleiche... waren sie um ehrlich zu sein weitaus besser.
Das waren Buchreihen wie die "Lesefanten" und später "Leselöwen", die viele bunte Geschichten für Kinder aus dem Alltag oder rein fantastisch erzählten.
Meine zwei Lieblinge: "Meine Schwester Pia" und "Gruß und Kuß dein Julius".
"Hexengeschichten" war mein Liebling der Löwen, vor allem wegen des tollen Einbandes - die Bücher waren damals meist mit Buntstift- oder Tuscheillustrationen gesegnet.
Dann waren da noch die Bücher von Erich Kästner - "Das fliegende Klassenzimmer", "Das doppelte Lottchen" und "Pünktchen und Anton".
Und natürlich weitere Klassiker wie "Pippi Langstrumpf", "Michel" oder "Kinder von Bullerbü" von Astrid Lindgren.
Als ich ein bisschen größer war kam dann "Nesthäkchen" und "Trotzkopf" hinzu, wobei ich letzteren nie gelesen habe, da eine Schriftgröße 8 wirklich grässlich ist...

Aus der Bibliothek wurden ebenso munter Bücher ausgeliehen und allgemein muss ich rückblickend sagen, dass ich eine schöne bücherreiche Kindheit hatte.

Weiter aufgewachsen bin ich mit "Harry Potter". Es war die erste richtige Buchreihe, die ich sammelte. Meine Freundin Julia schenkte mir damals den ersten Band zum Geburtstag, weil sie so begeistert von war und hat mich damit ordentlich angesteckt. Jahre vergingen und schließlich wurde Harry Potter sogar meine erste freiwillige Englischlektüre. (Ich habe Englisch damals echt verachtet - dass ich hingegen sogar Anglistik studierte und mir neben Japanisch keine andere Lieblingssprache vorstellen kann... tja, so kann's gehen)
Ebenso kam ich nicht an den Jugendbüchern vorbei wie "Angel, Geschichte eines Straßenkids" oder viele Romanzenbücher wie "Lisa" und... natürlich der Serienromane zu GZSZ.
Die nächste "Reihe" sozusagen, welche ich erst ab Band 36 für mich verabschiedete... natürlich auch noch alle gesammelt im Regal zu stehen.

Eine Zeit lang habe ich Bücher wiederum mehr gekauft als gelesen. Das muss zu der Zeit gewesen sein, als mich die Schule sowieso schon sehr einnahm und ich noch weniger Lust hatte, in meiner Freizeit zu lesen - sprich alles ab der zehnten Klasse.
Dieses "Problem" habe ich auch heute noch: Wenn ich am Tag viel lesen "muss", dann ist mir danach nicht mehr und es kann sein, dass ich viele Dinge wochenlang liegen lasse. Überdruss sozusagen.
Zur Schulzeit selbst wurden aber natürlich die vorgesetzten Klassiker gelesen: Schiller, Goethe, Schnitzler, Brecht, ... Lustigerweise habe ich die seit Ende letzten Jahres alle wieder ausgegraben und mit erneut zu Gemüte geführt.

Und heute?

Nun, ich habe immer noch die Angewohnheit, alles querbeet zu lesen, habe allerdings auch keine Probleme damit, mir die unterschiedlichen Handlungen zu merken.
Jetziger Lesestand z.B.: Elisabeth, Faust II, Little Women, das verhasste Alter, Eat Pray Love, Die Frau des Zeitreisenden und zwei weitere Sammelbände mit kurzen Prosastücken oder Lyrik.
Wenn ich also irgendwann keine Lesezeichen mehr besitze... weiß ich, wo ich suchen muss.

In all den Jahren hat sich natürlich auch ein bisschen was am Lesegeschmack verändert... als Kind liebte ich Kinderbücher - das ist geblieben, weil ich sie jetzt aus einem anderen Blickwinkel lese.
Ich mochte dann Serienbücher - die ich inzwischen bis auf wenige Ausnahmen einfach nur grottig finde. Kein Anspruch. Klassiker waren mir dank Textanalysen freizeitlich zuwider (ich mochte sie an sich) - heute lese ich sie freiwillig und vermisse die Analysen und den Deutschunterricht, der mir etwas auf die Sprünge helfen würde, manches Werk zu verstehen.
Was die Genre betrifft... Ich kann mich immer noch nicht mit Krimis oder Thriller anfreunden. Damalige "mystery (thriller)" Groschenromane waren ganz nett, aber bis auf "Leichenblässe" und einen Roman von Ann Granger, kam mir nichts ins Regal. Sherlock Holmes einmal abgesehen, dieser Klassiker (Bitte Originalfassung lesen! Der Erzählstil wirkt auf Deutsch ziemlich langweilig) ist eine Ausnahme. Fantasy schlägt bei mir ebenso wenig an. "Harry Potter" ist hier auch wieder eine Ausnahme, weil die Geschichte noch genügend realistische Züge aufweist. Sci-Fi... muss ich noch erproben. Im Grunde hat sich also nichts geändert.
Außer, dass ich langsam anfange, mich für geschichtlich basierte Bücher zu interessieren, und auf Grund meiner Japan-Leidenschaft ich mich ebenso vermehrt mit japanischer Literatur beschäftige.

Dank Ebay, Amazon und Co. ist es heute glücklicherweise auch nicht mehr so schwierig, an bestimmte Werke heranzukommen.
Natürlich unterstütze ich liebend gern meinen kleinen Buchladen, aber manche Dinge gibt es eben nur über den Onlinehandel.

Literatur beflügelt mich, lässt mich abschalten oder auf eine ganz andere angenehme Art nachdenken und grübeln. Es eröffnet mir neue Sichtweisen, gibt mir Zugang zu bisher unbekannten Themen und erweitert meinen Horizont. Oder bereitet mir einfach nur eine angenehme Wärme - wenn es z.B. das Adventskalenderbuch zu Weihnachten betrifft. Ob nun damals als Kind oder heute als Erwachsene.
Ich bin dankbar für das Privileg, dass ich lesen lernen durfte und es beherrsche.
Vor kurzem habe ich mich gefragt, wie es wohl wäre, wenn ich das nicht mehr könnte... das wäre nicht nur seltsam, mir würde sogar ein Teil von mir fehlen.
Lesen ist etwas ganz wunderbares!

Ich hoffe, dass ich dies auch ein wenig mit meinen Blog rüberkommen wird - mit was ich diesen füllen werde... nun, mal schauen.
Dafür ist ja noch bis zum nächsten Eintrag Zeit.