Sonntag, 25. August 2024

Renzension: Was bleibt, wenn du gehst

Hin und wieder gibt es Phasen, in denen ich einfach etwas leichtes lesen mag. Ich mag Alltagsgeschichten, die auch ein bisschen romantisch sein dürfen. Also habe ich nach kurzem Überlegen mit geschlossenen Augen das nächstbeste Buch gegriffen landete bei Amy Silvers Was bleibt, wenn du gehst.

Die Geschichte handelt um eine Zusammenkunft alter Freunde, die sich jahrelang nicht gesehen haben. Von Jen wurden sie mehr oder weniger wissentlich um die anderen in das Haus in Südfrankreich eingeladen, welches ihr ganz eigen privates Heim gewesen ist, bis sich ein Autounfall ereignete, der das Leben aller aus der Bahn warf. Die Auslöser, die damaligen Probleme, Geheimnisse und unausgesprochene Worte kommen wieder ans Tageslicht. Den Geistern der Vergangenheit muss sich gestellt werden.





Einschätzung

 
Es fiel mir schwer, mich mit der "Hauptperson" Jen anzufreunden. Sie wird als zentraler Angelpunkt gesetzt, welcher die Fäden des Romans hält. Dennoch sind ihre Verhaltensweisen und ihre Dialogführungen oftmals sehr theatralisiert und wirken nahezu perfekt, bis es zur Enthüllung ihres damaligen Fehltritts mit einem der Freunde kommt. Doch selbst dann wirkt sie im Gegensatz zu den anderen noch sehr "unschuldig".
 

Mit den fortschreitenden Kapiteln rücken jedoch auch die anderen ihrer Freunde in den Fokus und man erfährt nach und nach in einer angenehmen Geschwindigkeit näheres zu Andrew, Natalie, Lilah und Dan. Ihr verstorbener Freund Conor findet hingegen zwar immer wieder Erwähnung, doch erscheint diese - obwohl sein Tod so schwer für Jen und Andrew wiegt - recht oberflächlich.
Andrew selbst ist die Schuld in Person. Er macht sich zum Sündenbock und es mag unweigerlich verständlich sein, dass er der gefühlte "Grund" für den Unfall darstellt, doch kommt auch hier das eigentliche Problem - sein eigen verpatztes Leben - wenig zu Sprache.


Hingegen sind Natalies körperliche Schäden, die sie durch den Unfall davontrug, den gesamten Roman hinweg spürbar und zeichnen sich auch auf ihre Verhaltensweisen ab, auf ihre Reaktionen. In meinen Augen ist Natalie trotz ihrer teilweise Hysterie und ihrer Zickigkeit und Bestimmtheit eine der authentischsten Figuren, was die Darstellung betrifft... dass die Beziehungsprobleme allerdings von Silvers zwischen ihr und Andrew nur immer angedeutet werden, aber nie direkt zur Sprache kommen oder aufgedeckt werden, ist sehr schade. Es hätte der Geschichte mehr Tiefgang gegeben, hätte durchaus auch Andrews Schuldgefühle in einen rechten Fokus rücken können... Hingegen wirft Natalie ihm vor, dass er durch die Eintragung ins Strafregister nur ein Lehrer an einer lausigen Schule geworden ist, statt eines Anwalts und selbst das verletzt ihn nur unwesentlich für ein paar Seiten...


Wenn wir zu einer weiteren authentischen Person kommen, so ist dies Lila - eine Alkoholikerin (was auch noch durch ständiges Einschenken von selbigen durch die anderen begünstigt wird), ein Partygirl, immer Abgrund balancierend und magersüchtig... Ihr Verhalten ist kindisch, übertrieben, hemmungslos - passt aber zu ihrer Erscheinung von damals bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Der Letzte im Bunde, Dan, ist der typische Draufgänger, der nie erwachsen werden kann - Jens Beschreibung des "verlorenen Jungen" passt sehr gut. Im Großen und Ganzen erinnert er aber stark an einen Daniel aus "Bridget Jones" oder an Dexter aus "One Day" ("Zwei an einem Tag") ... einzig und allein seine übertriebene Fantasie, die ihm selbst Angsterscheinungen in der Nacht bereitet (Axtmörder voraus), geben ihm etwas Abwechslung.

Was die Geschichte nicht weniger ausmacht, sind leider bereits genannte Theatraliken. Natürlich sind sie überängstlich, was Straßen und Autos betrifft bzw. Schneegestöber... aber dass die bis eben noch so ruhige Natalie auf einmal eine 180 Grad-Wendung macht und nun mehr komplett cholerisch wird... oder dass Jen das typisch schlechte "Geh nicht!" - "Komm mir nicht zu nahe!" Spiel innerhalb zwei Minuten oft genug aufkommen lässt und anhand von Blutstropfen auf der Treppe abergläubisch schlechte Omen drin liest, sind für mich Übertreibungen, die es nicht braucht. Selbst der Tod Lilahs (Nein, keine Überdosis, aber dennoch sehr klischeehaft) wird noch ausgereizt, nur dass das Happy End später im selben Zimmer stattfindet, dass bereits als Zuflucht, Betrugsort und Sterbestätte galt...

Kommen wir dann noch zu einem Punkt: Die Entschuldigungsfloskeln. Mit voranschreitender Seitenzahl wird sich immer und immer mehr entschuldigt. Für jedes Wort, wie es scheint. Die Charaktere erklären sich in Monologen, als würden sie ihre eigenen Therapiesitzungen veranstalten und der eine glaubt zu wissen, wie der andere tickt... Kurzum, geht es nach gewisser Zeit ziemlich auf den Keks immer und immer wieder dieselben Maschen lesen zu müssen.

Das heißt jedoch nicht, dass Amy Silver nicht schreiben kann. Sie kann... denn ansonsten hätte ich das Buch weggelegt. Man kommt flüssig und schnell durch die über vierhundert Seiten. Man möchte auch nicht aufhören, weil man wissen will, wie die Geschichte weitergeht - wie die Rückblenden ausgehen. Wäre jetzt nur noch der Tiefgang gegeben, dann wäre es eine wirklich gute Geschichte gewesen. So hingegen ist ein recht oberflächlicher Roman, der dann auch noch mit einigen Rechtschreibfehlern glänzt... Wobei ich nie vergessen werde, wie fruchtbar Jen aussah, obwohl sie eher furchtbar hätte aussehen müssen...




Love Letters to the Dead.
Amy Silver
RoRoRo, 2014, 448 Seiten
ISBN: 978-3499268526
Preis: 9,99€

Dienstag, 21. Juni 2016

Classic Confessions #03

Und damit geht es in die nächste Runde. Momentan komme ich kaum zum Schreiben oder andere Dinge zu machen... Arbeit. :')


Bevorzugt ihr bei Klassikern die Originalsprache oder eine Übersetzung?

Leider Gottes bin ich nicht so fit in Fremdsprachen, als dass ich Klassiker in den entsprechenden Originalsprachen lesen kann. Zumindest, wenn es sich um jene wie Shakespeare's Werke handelt... Altenglisch ist nichts, was mir liegt. (Wobei ich es an sich sehr mag...)

Literatur ab dem (meist) 19. Jahrhundert hingegen ist für mich durchaus interessant. Jane Austen, Sir Arthur Conan Doyle, Charles Dickens... das sind alles Autoren, die ich gerne gelesen habe oder noch lesen möchte. Bei bestimmten Werken ist die deutsche Übersetzung auch einfach nicht ansprechend. Dies liegt für mich nicht an der Übersetzung selbst, sondern viel mehr daran, dass mit dem Einsetzen der anderen Sprache eben auch die Atmosphäre des Originals abhanden kommt.

Spannend sind Kinderbücher... glaubt mal nicht, dass diese unbedingt leicht verständlich sind.
Ich weiß noch, dass ich damals bei Alice im Wunderland ziemlich oft gestockt habe.
Oder Peter Pan. Oh je. Ich glaube, ich weiß, was ich wieder mal hervorholen muss...

Freitag, 17. Juni 2016

Classic Confessions #02

Da hänge ich doch glatt schon wieder hinterher!
Aber momentan lese und schreibe ich dafür im Marathon - sowohl als auf Arbeit als auch zu Hause.
(Leider ist ersteres nichts Unterhaltsames, wenn doch auch spannend ;D)

Somit geht es in eine zweite Runde der Classic Confessions.




Habt ihr alle Klassiker, die ihr in der Schule lesen solltet auch gelesen
und welche habt ihr gelesen?

Ich hatte eine sehr klassische Deutschlehrerin in der Oberstufe, die entsprechend auch sehr klassische Werke zu lesen aufgab: Gottfried Keller, Theodor Fontane, Friedrich Schiller, ... und in die Moderne dann Bertolt Brecht, Hermann Hesse, Max Frisch, ... Es gab noch einige weitere, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.
Generell habe ich sie aber alle gelesen. Bei manchen auch sehr durchgequält, aber ich habe sie gelesen. Wären nicht die Klausuren dazu gewesen, hätte es noch mehr Spaß bereitet, weil ich immer sehr gespannt war, was wir als nächstes zu lesen bekämen. Ich habe ich da sozusagen mitziehen lassen und kann behaupten, dass ich vor allem eben dank meiner Deutschlehrerin das Interesse an klassische Literatur beibehalten habe. (Nur habe ich nicht immer alles verstanden... z.B. ... König Ödipus - im Detail.)

Eine kleine Liste: Kleider machen Leute, Der Schimmelreiter, Macbeth, König Ödipus, Galileo Galilei, Emilia Galotti, Fräulein Else, Andorra, Auszüge aus Kabale und Liebe, Woyzeck, Auszug aus Faust I, Maria Magdalena, Auszüge aus Leonce und Lena, Unterm Rad, Die Leiden des jungen Werther... oh je, ich kriege doch nicht mehr alle zusammen! An dieser Stelle möchte ich aber auch noch die Dichter erwähnen: Möricke und Eichendorff waren immer wieder gern gesehene Gäste.

Rezension: Love Letters to The Dead

Erinnert ihr euch an die Welle, die John Greens The Fault in our Stars / Das Schicksal ist ein mieser Verräter ausgelöst hat? Zum einen kamen natürlich noch weitere seiner Bücher hier nach Deutschland, z.B. Looking for Alaska / eine wie Alaska, zum anderen gab es eine Menge weiterer Romane für Jugendliche, die mit einem Mal alle eins zu behandeln wussten: Das Leben.
Ich hielt Love Letters to the Dead somit schon einmal in den Händen - vor einem Jahr.
Ich habe es wieder weggelegt, weil ich mir unsicher war, ob ich es kaufen sollte.
Gerade weil es so viele Romane gab, wurde mir die Auswahl schwer gemacht...
Dann kam das Buchwichteln: Als ich meine Briefsendung öffnete... tja, welches Buchcover guckte mich da an?




Laurel, im ersten Jahr an der Highschool und zudem noch an einer fernab ihrer eigentlichen Wohngegend, erhält von ihrer Englischlehrerin zu Beginn des Schuljahres die Aufgabe, einen Brief an eine tote Person zu schreiben.
Sie schreibt an Kurt Cobain, den verstorbenen Sänger der Band Nirvana - zu jung gestorben.
So wie ihre Schwester May. Aber nicht nur deswegen wählt sie ausgerechnet Kurt Cobain aus, sondern auch, weil May Anhänger seinerseits war und auch Laurel mit der Musik Nirvanas angesteckt hat. Doch als sie fertig ist, gibt sie diesen Brief nicht ab, sondern schreibt noch eine ganze Reihe an andere verstorbene Persönlichkeiten: Judy Garland, Jim Morrison, Amy Winehouse, ...

Laurels Briefe erzählen fortgehend eine Geschichte - ihre Geschichte. Ihre Highscholerfahrungen, der Beginn von neuen Freundschaften, die Unsicherheiten des Erwachsenwerdens, ihre erste Liebe, ... aber auch ihre Vergangenheit, die sie wieder einzuholen droht. Vor allem aber muss sie lernen, dass ihre Schwester May weniger perfekt war, als sie es in Erinnerung hatte.


Einschätzung

Love Letters to the Dead überraschte mich immer wieder aufs Neue. Die Geschichte selbst ist nicht neuerfunden: Ein Mädchen mit einer schattigen Vergangenheit, der Tod einer geliebten und nahestehenden Person, welchen sie nicht verarbeitet hat. Zerrüttete Familienverhältnisse mit einer frommen Verwandten, bei dem die Protagonistin zeitweilig lebt inklusive.
Dennoch fielen mir beim Lesen sogleich zwei Dinge auf:

Zum einen die Liebe, mit welcher der Roman geschrieben wurde. Die Autorin hätte es bei den Adressaten sein lassen können, aber innerhalb jener Briefe erhält man noch direkt einen Einblick in die Leben der jeweiligen Personen selbst. Die Auswahl ist durchmischt: Amy Winehouse, die den meisten ein Begriff sein dürfte. Kurt Cobain, die frühen Neunziger. Aber auch alte Berühmtheiten wie Janis Joplin oder Judy Garland finden Platz und werden gewiss beim ein oder anderen Leser ein Fragezeichen hinterlassen. Dank der kurzen Einleitungen und Bezugnahmen in den Briefen wird die Unwissenheit aber schnell geklärt.
Für einen Extralesegenuss empfehle ich also Youtube einzuschalten und die passende Musik laufen zu lassen, sofern man sie noch nicht im Ohr hat.
Zum anderen wird schnell klar, dass ein jeder sein Päckchen zu tragen hat - abseits von Laurel selbst.
Hannah, deren Bruder ihr gegenüber gewalttätig wird.
Natalie, welche ihre Gefühle gegenüber ihrer Freundin sich in Klaren werden muss und leidet, als diese sich nicht ebenso dazu bekennen kann.
Sky, welcher mit seiner psychisch erkrankten Mutter allein gelassen ist.
Laurels Eltern, die jeder auf seine Art und Weise mit dem Tod ihrer Ältesten umgehen, aber sich immer mehr voneinander entfernen...
Beides lässt einen neugierig werden, wie es wohl weitergeht, wie Laurel ihr Leben meistert und was noch alles auf sie wartet. Obwohl der rote Faden sich offensichtlich durchs Bild zieht, lässt sich dennoch nicht erahnen, ob wir ein Happy oder ein Bad Ending zu erwarten haben.

Dellaira schafft es, Laurel eine Entwicklung als Charakter zu geben, die ich selten gesehen habe. Eine nachvollziehbare Entwicklung. Sie muss immer wieder einstecken und bis der Groschen fällt, braucht es eine ganze Zeit. Erst als ihre Beziehung in die Brüche geht und sie damit konfrontiert wird, dass sie zwar erwartet, dass man ihr beiseite steht, sie aber auch nichts offen legt und sie somit ihre große Liebe zu verlieren droht, wacht Laurel langsam auf. Dass sie auf einer Party schließlich beinahe auch noch von einem der Anwesenden zum Sex gezwungen wird, was eine weitere unangenehme Episode ihres Gedächtnisses aufkommen lässt, lässt sie sich ändern. Dies alles geschieht nach und nach, selbst das Ende ist dem hingehend nicht abrupt und rasant. Dass das Buch somit eine Happy End Wendung nimmt, hinterlässt einen leicht faden Beigeschmack - man möchte es nicht enden lassen.

Was mich hingegen sehr erschreckte, ist der nahezu hemmungslose Umgang mit Alkohol, Drogen, Sex und Lügen. Die jugendlichen Charaktere sind allesamt 15-19 Jahre. Es wird von Episoden berichtet, in denen Laurel Ladendiebstahl beginnt, Alkoholorgien bei den Mädchen zu Hause oder aber auch das selbstverständliche Schwänzen des Unterrichts und das Grasrauchen im Anschluss.
Dass dies teils deswegen geschieht, um zu zeigen, wie kaputt manche der Charaktere sind, ist verständlich und annehmbar. Inwiefern es allerdings sein muss, dass Laurel von einem Fremden Pillen annimmt und diese auch noch schluckt, obwohl sie genau weiß, dass es keine harmlosen Koffeintabletten sind, lässt sich anzweifeln. Es passte nicht zu der Situation.
Und auch die regelmäßigen Griffe zur Flasche, teils sogar alleine und nicht im Zusammensein mit anderen, lässt sich für mich nicht erklären - sie hat es nicht vorgelebt bekommen und es wird auch nicht näher darauf eingegangen, ob der Alkoholzuschuss eine wesentliche Besserung zum Gemütszustand beitrug oder nicht. In dieser Hinsicht hätte ich mir eine etwas kritischere Sichtweise gewünscht.

Alles in allem möchte ich aber dieses Buch dennoch denjenigen ans Herz legen, die moderne Jugendliteratur lesen und Musik lieben. Die Autorin schafft es, Atmosphären zu kreieren, die mitfühlen lassen. Man spürt die Schwere und die Schatten, die Laurel begleiten und merkt ebenso, wann sie sich langsam zu lichten beginnen. Dies ist definitiv nicht in jedem Buch der Fall und deswegen eindeutig Daumen hoch.



Love Letters to the Dead.
Ava Dellaira
Hot Key Books, 2014, 327 Seiten
ISBN: 978-1-4714-0288-3 

Sonntag, 12. Juni 2016

Classic Confessions #01

Kennt ihr das auch? Im Sommer, wenn es so warm wird, habe ich wenig Lust zu lesen und ich weniger Lust zu lesen und überfliege lieber ein paar mir bisher unbekannte Blogs im Internet.
Dieses Mal bin ich auf "Lauter&Leise" gestoßen, welche eine neue Blogaktion ins Leben rief.



Was ist für dich ein Klassiker?


Ein Klassiker macht sich für mich in genau zwei Bereiche bemerkbar - wirklich klassische Literatur und dann die Klassiker der Modernen.

Erstere Kategorie sind für mich jene Werke von Goethe, Schiller, Shakespeare, Brecht, etc., welche ein gewissenes Ansehen über die Zeit gewannen und zudem auch zu typischer Schulliteratur gehören, von denen man zumindest einmal gehört haben sollte, wenn man sie schon nicht selbst las.

Zweite Kategorie sind für mich solche Bücher wie Herr der Ringe, Harry Potter, Haruki Murakamis Romane, ... Geschichten unserer modernen Zeit, die für Furore sorgten.

Was macht ein Klassiker nun aber für mich aus?

Er muss mir im Gedächtnis bleiben. Ich muss nach Lesen des jeweiligen Buches auch nach Jahren noch sagen können, dass es mich bewegt hat, dass es so umfassend ist, dass ich noch in zwanzig Jahren ein weiteres Mal lesen würde.
Wenn das jeweilige Werk meinen ganz Geschmack so gut trifft, dass ich es nicht nur einmal, sondern immer wieder lesen möchte, ist es für mich ein persönlicher Klassiker.

Das sind jetzt im Klartext welche Bücher?

Tsugomi (Yoshimoto Banana)
Der Himmel ist weiß, die Erde ist blau (Kawakami Hiromi)
Harry Potter (J.K. Rowling)
Tagebuch (Anne Frank)
Die Frau des Zeitreisenden (Audrey Niffeger)
Nesthäkchen (Else Ury)
Trixi (M. Haller)
Erich Kästner
Fräulein Else (Arthur Schnitzler)
Georg Büchner
Bertolt Brecht
Andorra (Max Frisch)
Theodor Fontane
Goethe
...

Wie ihr also seht: kunterbunt.

Samstag, 28. Mai 2016

Rezension: Das Mädchen aus der Zukunft

Seitdem ich der Serie "Doctor Who" erlegen bin, interessiere ich mich mehr und mehr für das Genre "Sci-Fi". Als ich nun mehr in der Bücherwühlkiste ein Kinderbuch zu diesem Thema fand, konnte ich nicht widerstehen. Vor allem aber deswegen, weil mich alte Bücher und ihr ebenso alter Papiergeruch extrem anziehen.

Die Wahl fiel also auf "Das Mädchen aus der Zukunft", ein Buch mit zwei Geschichten, welche von Kir Bulytschow verfasst worden sind.
Kir Bulytschow selbst, eigentlich Igor Wsewolodowitsch Moscheiko, gilt als einer der bekanntesten Science-Fiction Autoren der damaligen Sowjetunion (2013 verstorben).
Die Geschichten um Alissa sind eine ganze Reihe an fantastischen Abenteuern des Kindes, welches durch den Weltraum reist. Es schafften weitaus nicht alle Geschichten den Weg in die DDR, wie man anhand seiner Bibliographie sehen kann.


In diesem Band werden zwei Erzählungen geliefert:
Die erste Geschichte bringt Alissa, ihren Vater - der Wissenschaftler - und das außerirdische Wesen Gromeska - der Archäolge - in die Verlegenheit, in die Zeit zurückreisen zu müssen.
Die kosmische Pest wurde von auf mysteriöse Art und Weise auf einen Planeten eingeschleppt und sorgte dafür, dass deren Bewohner alle zugrunde gingen.
Eigentlich ist es verboten, in die Zeit einzugreifen, doch können Gromeska und Alissa nicht anders, als den Untergang zu verhindern. Die Medizin ihrer Gegenwart hat einen Impfstoff gegen die kosmische Pest gefunden und dieses Serum soll Alissa zum Ursprung der Pandemiequelle bringen.

In der zweiten Geschichte befindet sich Alissa mit der Kosmonautin Polina und ihrem alten Hilfsroboter auf Raumschifffahrt. Sie machen hierbei nicht nur mit dem japanischen Jungen Judso Bekanntschaft, welcher auf der Suche nach seinem verschollenen Vater ist, sondern auch mit einem mysteriösen Asteroiden und einem von Robotern unterdrücktem Volk. Es zeigt sich allerdings, dass die Roboter nicht einmal böswillig handeln, obwohl deren Herr durchaus von Größenwahn getrieben wird. Ein gefährliches Abenteuer erwartet das kleine Mädchen und Polina gerät in Lebensgefahr, als sie von den Robotern gefangen genommen wird.

Einschätzung

Die Bücher rund um das Mädchen Alissa sind laut Altersempfehlung für Kinder ab zehn Jahren geeignet.
Bereits auf den ersten Seiten merkt man allerdings, dass sich sprachlich nicht nur diese Zielgruppen angesprochen fühlen wird. Satzbau und Wortwahl sind durchaus auch recht komplex und gehoben. Man muss sich erst einmal einfinden, um Zugang zu der Geschichte zu gewinnen.
Alissa ist für ihre zehn Jahre äußerst intelligent und erwachsen. Kindliche Verhaltensweisen und Leichtsinn trifft man bei ihr selten an. Eher noch lässt sich der Archäologe mit seinen zig Fangarmen zu Impulsitäten hinreißen und bringt sie in Schwierigkeiten.
Bulytschow bringt die Geschichte schnell voran ohne zu hetzen. Die Ereignisse überschlagen sich somit nicht, sondern laufen in einem angenehmen Tempo ab.

Als Science-Fiction Kenner setzt Bulytschow ein gewisses Grundwissen voraus - Skaphander, Blaster, aber auch simple physikalische Vorkommnisse finden in seinen Geschichten Platz und werden nur erklärt, wenn es für den weiteren Verlauf wichtig ist. Es gab einige Begriffe, mit denen ich mich neu auseinandersetzen musste, weil ich von diesen bisher noch nie gehört habe.
Die Übersetzung von Aljonna Möckel ist liebevoll in der Wortauswahl und bereitet somit einen zusätzlichen Lesegenuss.

Bulytschows Pädogikkenntnisse zeigen sich zwischen den Zeilen.
Eine gewisse Moralvorstellung wird dem Leser vorgesetzt. Die Charaktere setzen sich mit einem Für und Wider in den Geschichten auseinander, nehmen kritisch Stellung und müssen in ihrer folgenden Handlung etwaige Konsequenzen tragen. Obwohl diese Episoden um Alissa sehr fröhlich und locker auf mich wirken, wiegt aber auch eine Schwere mit und führt nicht gleich zum Happy End.
So bringt Alissas Zeitsprung einen Gefängnisaufenthalt mit sich, da das Einsprühen der Besatzung mit dem Serum vor den Augen aller als Attentat interpretiert wird und das Unterfangen Judsos, seinen Vater wiederzufinden, lässt ihn hierbei erkennen, wie sehr sich sein Vater in der bis dahin vergangenen Zeit sowohl äußerlich als auch innerlich verändert hat.
Besonders interessant ist in meinen Augen die Auseinandersetzung mit der sich stetig weiterentwickelnden Technik in der zweiten Geschichte. Diese Weiterentwicklung sorgte einerseits dafür, dass die Menschen sich nicht nur von der Technik abhängig machten, sondern dadurch wieder zu Primaten rückentwickelten. Oder aber auch die banale Diskussion darüber, warum Alissa nicht einfach mit ins Weltall fliegen kann, sondern nur wenn sie Ferien hat - Schule ist verpflichtend und wichtig... Denn wie oft kommt es in Büchern vor, dass die Helden einfach auf Arbeit, in der Schule oder sonst wo Fehlzeiten verzeichnen, aber es niemanden stört? Ja, nicht einmal die Eltern?

Für die politisch Interessierten:
In manchen Punkten erkennt man in dem Kinderbuch durchaus einen Hang zur damalig bestehenden UdSSR. Es sind Begriffe wie Kosmonauten oder Kosmodrom, Namensgebung und auch die Wertevermittlung an Alissa, die daran erinnern lassen. Trotzdem ist das Buch selbst aber frei von sämtlichen politischen Konflikten, die zur damaligen Zeit herrschten.

Nachdem ich mich eingefunden hatte, verschaffte mir das Lesen sehr viel Freude. Die erste Geschichte um die kosmische Pest war mir leider noch zu kurz - Ich liebe Zeitreisen.
Zwar konnte ich mich nun durchaus nicht mehr mit einem der Charaktere identifizieren, doch war es eine gute Unterhaltung auf meinen Bahnfahrten. Der Kopf wurde zum Fantasieren angeregt - wie soll man sich bitte einen Außerirdischen mit Fangarmen vorstellen? Wer gar keine Idee hat... dem helfen aber vielleicht auch die Illustrationen, welche sich im Buch an diversen Stellen befinden.




Das Mädchen aus der Zukunft.
Kir Bulytschow.
Der Kinderbuch Verlag Berlin, 1987, 175 Seiten
ASIN: 3358001555
Preis: -

Donnerstag, 19. Mai 2016

Rezension: Unterm Birnbaum

Jedem wird wohl noch der "Herr von Ribbeck von Ribbeck auf Havelland" ein Begriff sein, in dessen Garten ein Birnbaum stand.
Dass der Birnbaum selbst allerdings eine eigene Geschichte vorweist, die recht wenig mit dem schönen Gedicht Fontanes zu tun hat, dürfte dann eher wenigeren bekannt sein.




Kaufmann und Schankwirt Abel Hradscheck ist verschuldet und entdeckt eines Tages beim nächtlichen Umgraben seines Gartens die alte Leiche eines französischen Soldaten.
Dies gibt Hradscheck allerdings Anlass, den anrückenden Schuldeneintreiber zu ermorden und mit Hilfe des gefundenen Toten die Tat zu vertuschen.
Seine Frau kann dies Vergehen allerdings nicht verkraften und zerbricht an den Schuldgefühlen, obwohl Hradscheck tatsächlich den Verdacht von sich lenken kann und aus erster Gewahrsamkeit wieder freikommt.
Die in seinem Keller vergrabene Leiche will er eines Tages umbetten, kommt aber durch ein Missgeschick selbst zu Tode und wird am nächsten Tag gemeinsam mit dem Ermordeten von den Dorfbewohnern aufgefunden.

Fontane bringt in seiner Kriminalgeschichte die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und damit auch beschreibende Charaktere hervor:


  • Der unglücksame aber auch schlechte Geschäftsmann Hradscheck, welcher auf der einen Seite Angst vor Nachrede hat, zweitklassige Waren anzubieten und den Speck so lieber des Nachts in seinen Garten vergräbt, aber auf der anderen Seite sogar einen Mord begehen kann.
  • Seine tüchtige, aber doch nicht dem Reichtum und des Geldes abgeneigte Frau Ursel, welche ein labiles Nervengeflecht besitzt und daran zugrunde geht - wobei sie lieber alles wäre, nur nicht arm.
  • Der fromme Pfarrer Eccelius, welcher die Beichten von Hradschecks Frau aufnimmt und ihr ein guter Berater und Freund wird und das Gewissen des Dorfes verkörpert.
  • Der Junge Ede, der "Narr" in der Geschichte
  • Die alte Jeschke, das Tratschweib, welches aber gleichzeitig eine der Hauptärgernisse für Hradscheck bedeutet, weil sie ihre Augen überall zu haben scheint
  • ...

Fontane gibt dem Dorf außerdem ein Leben durch gesellschaftliches Treiben im Wirtshaus, heiteren Plaudereien und Aberglaube - Dinge, die sich selbst entfalten, mehr Macht gewinnen und so die Dorfbewohner nicht nur zu dem voreiligen Schluss kommen lassen, dass Hradscheck den toten Soldaten im Garten ermordete - was faktisch nicht stimmen konnte - sondern ihnen auch noch aufzeigen, dass sie damit die Ehre eines Mannes ihresgleichen beschmutzt hatten und solch ein falsches Urteil zu entscheidenden Konsequenzen führen kann.
Dass sie mit ihrer anfänglichen Vermutung in anderer Hinsicht richtig gelegen hätten, ist dann jedoch eine andere Geschichte.

Wie man es von Hamburger Leseheften kennt, erwarten einem zum Schluss nicht nur nützliche Informationen hinsichtlich Begrifflichkeiten im Werk selbst (allerdings keine sprachlichen, bezogen aufs Plattdeutsche!), sondern auch ein kurzer Lebensabriss Fontanes und eine ausführlichere Erläuterung zur Einordnung des Birnbaums in die Zeitlinie seiner Werke.

Das Plattdeutsche ist in den meisten Fällen gut zu verstehen - Geheimnis dahinter, wie es meist mit Dialekten ist: nicht lange darüber nachdenken, sondern lesen und vor sich hinsprechen.


Einschätzung

Zunächst: natürlich schadet es nicht, wenn man sich ein Langenscheid Lilliput Plattdeutsch Wörterbuch anschafft, aber man wird auch ohne in den meisten Fällen zurechtkommen.
Gerade bei Charakteren wie die alte Jeschke ist aber jener Dialekt lebensfördernd.

Fontanes Werk lässt sich zweimal lesen - Erst dann fallen einem kleine Einzelheiten auf, die man zunächst übersah und welche bereits Hinweise auf spätere Vorkommen geben. Sei es die Wichtigkeit des Birnbaums in seiner Bedeutung oder jene Wichtigkeit der Ölfässer.
Wie man es schon aus seinen Balladen her kennt, ist die Sprache das I-Tüpfelchen der Geschichte.
Besonders, wenn es um die naturellen Beschreibungen geht, zeigt sich Fontanes Talent, wundert dies aber nicht, wenn man an seine vierbändige Wanderungen durch die Mark Brandenburg denkt.

Unterm Birnbaum ist ein kurzes Lesevergnügen, das man aber nicht unterschätzen sollte.
Mit den Charakteren kann man sich zwar nicht unbedingt identifizieren, dafür erlebt man aber als Zuschauer ein tolles Zusammenspiel der unterschiedlichsten Personen und wie sie entsprechend miteinander zu agieren verstehen.
Gerade das sehr ironische Ende Hradschecks ist ein Ausgang, den ich so nicht erwartet hätte.
Wer hinzukommend Wert auf gut gewählte Worte legt, ist bei Fontane mehr als gut aufgehoben.



Unterm Birnbaum
Theodor Fontane
Hamburger Lesehefte, 85 Seiten
ISBN-10: 3872911538
ISBN-13: 978-3872911537
Preis: 1,60€