Samstag, 28. Mai 2016

Rezension: Das Mädchen aus der Zukunft

Seitdem ich der Serie "Doctor Who" erlegen bin, interessiere ich mich mehr und mehr für das Genre "Sci-Fi". Als ich nun mehr in der Bücherwühlkiste ein Kinderbuch zu diesem Thema fand, konnte ich nicht widerstehen. Vor allem aber deswegen, weil mich alte Bücher und ihr ebenso alter Papiergeruch extrem anziehen.

Die Wahl fiel also auf "Das Mädchen aus der Zukunft", ein Buch mit zwei Geschichten, welche von Kir Bulytschow verfasst worden sind.
Kir Bulytschow selbst, eigentlich Igor Wsewolodowitsch Moscheiko, gilt als einer der bekanntesten Science-Fiction Autoren der damaligen Sowjetunion (2013 verstorben).
Die Geschichten um Alissa sind eine ganze Reihe an fantastischen Abenteuern des Kindes, welches durch den Weltraum reist. Es schafften weitaus nicht alle Geschichten den Weg in die DDR, wie man anhand seiner Bibliographie sehen kann.


In diesem Band werden zwei Erzählungen geliefert:
Die erste Geschichte bringt Alissa, ihren Vater - der Wissenschaftler - und das außerirdische Wesen Gromeska - der Archäolge - in die Verlegenheit, in die Zeit zurückreisen zu müssen.
Die kosmische Pest wurde von auf mysteriöse Art und Weise auf einen Planeten eingeschleppt und sorgte dafür, dass deren Bewohner alle zugrunde gingen.
Eigentlich ist es verboten, in die Zeit einzugreifen, doch können Gromeska und Alissa nicht anders, als den Untergang zu verhindern. Die Medizin ihrer Gegenwart hat einen Impfstoff gegen die kosmische Pest gefunden und dieses Serum soll Alissa zum Ursprung der Pandemiequelle bringen.

In der zweiten Geschichte befindet sich Alissa mit der Kosmonautin Polina und ihrem alten Hilfsroboter auf Raumschifffahrt. Sie machen hierbei nicht nur mit dem japanischen Jungen Judso Bekanntschaft, welcher auf der Suche nach seinem verschollenen Vater ist, sondern auch mit einem mysteriösen Asteroiden und einem von Robotern unterdrücktem Volk. Es zeigt sich allerdings, dass die Roboter nicht einmal böswillig handeln, obwohl deren Herr durchaus von Größenwahn getrieben wird. Ein gefährliches Abenteuer erwartet das kleine Mädchen und Polina gerät in Lebensgefahr, als sie von den Robotern gefangen genommen wird.

Einschätzung

Die Bücher rund um das Mädchen Alissa sind laut Altersempfehlung für Kinder ab zehn Jahren geeignet.
Bereits auf den ersten Seiten merkt man allerdings, dass sich sprachlich nicht nur diese Zielgruppen angesprochen fühlen wird. Satzbau und Wortwahl sind durchaus auch recht komplex und gehoben. Man muss sich erst einmal einfinden, um Zugang zu der Geschichte zu gewinnen.
Alissa ist für ihre zehn Jahre äußerst intelligent und erwachsen. Kindliche Verhaltensweisen und Leichtsinn trifft man bei ihr selten an. Eher noch lässt sich der Archäologe mit seinen zig Fangarmen zu Impulsitäten hinreißen und bringt sie in Schwierigkeiten.
Bulytschow bringt die Geschichte schnell voran ohne zu hetzen. Die Ereignisse überschlagen sich somit nicht, sondern laufen in einem angenehmen Tempo ab.

Als Science-Fiction Kenner setzt Bulytschow ein gewisses Grundwissen voraus - Skaphander, Blaster, aber auch simple physikalische Vorkommnisse finden in seinen Geschichten Platz und werden nur erklärt, wenn es für den weiteren Verlauf wichtig ist. Es gab einige Begriffe, mit denen ich mich neu auseinandersetzen musste, weil ich von diesen bisher noch nie gehört habe.
Die Übersetzung von Aljonna Möckel ist liebevoll in der Wortauswahl und bereitet somit einen zusätzlichen Lesegenuss.

Bulytschows Pädogikkenntnisse zeigen sich zwischen den Zeilen.
Eine gewisse Moralvorstellung wird dem Leser vorgesetzt. Die Charaktere setzen sich mit einem Für und Wider in den Geschichten auseinander, nehmen kritisch Stellung und müssen in ihrer folgenden Handlung etwaige Konsequenzen tragen. Obwohl diese Episoden um Alissa sehr fröhlich und locker auf mich wirken, wiegt aber auch eine Schwere mit und führt nicht gleich zum Happy End.
So bringt Alissas Zeitsprung einen Gefängnisaufenthalt mit sich, da das Einsprühen der Besatzung mit dem Serum vor den Augen aller als Attentat interpretiert wird und das Unterfangen Judsos, seinen Vater wiederzufinden, lässt ihn hierbei erkennen, wie sehr sich sein Vater in der bis dahin vergangenen Zeit sowohl äußerlich als auch innerlich verändert hat.
Besonders interessant ist in meinen Augen die Auseinandersetzung mit der sich stetig weiterentwickelnden Technik in der zweiten Geschichte. Diese Weiterentwicklung sorgte einerseits dafür, dass die Menschen sich nicht nur von der Technik abhängig machten, sondern dadurch wieder zu Primaten rückentwickelten. Oder aber auch die banale Diskussion darüber, warum Alissa nicht einfach mit ins Weltall fliegen kann, sondern nur wenn sie Ferien hat - Schule ist verpflichtend und wichtig... Denn wie oft kommt es in Büchern vor, dass die Helden einfach auf Arbeit, in der Schule oder sonst wo Fehlzeiten verzeichnen, aber es niemanden stört? Ja, nicht einmal die Eltern?

Für die politisch Interessierten:
In manchen Punkten erkennt man in dem Kinderbuch durchaus einen Hang zur damalig bestehenden UdSSR. Es sind Begriffe wie Kosmonauten oder Kosmodrom, Namensgebung und auch die Wertevermittlung an Alissa, die daran erinnern lassen. Trotzdem ist das Buch selbst aber frei von sämtlichen politischen Konflikten, die zur damaligen Zeit herrschten.

Nachdem ich mich eingefunden hatte, verschaffte mir das Lesen sehr viel Freude. Die erste Geschichte um die kosmische Pest war mir leider noch zu kurz - Ich liebe Zeitreisen.
Zwar konnte ich mich nun durchaus nicht mehr mit einem der Charaktere identifizieren, doch war es eine gute Unterhaltung auf meinen Bahnfahrten. Der Kopf wurde zum Fantasieren angeregt - wie soll man sich bitte einen Außerirdischen mit Fangarmen vorstellen? Wer gar keine Idee hat... dem helfen aber vielleicht auch die Illustrationen, welche sich im Buch an diversen Stellen befinden.




Das Mädchen aus der Zukunft.
Kir Bulytschow.
Der Kinderbuch Verlag Berlin, 1987, 175 Seiten
ASIN: 3358001555
Preis: -

Donnerstag, 19. Mai 2016

Rezension: Unterm Birnbaum

Jedem wird wohl noch der "Herr von Ribbeck von Ribbeck auf Havelland" ein Begriff sein, in dessen Garten ein Birnbaum stand.
Dass der Birnbaum selbst allerdings eine eigene Geschichte vorweist, die recht wenig mit dem schönen Gedicht Fontanes zu tun hat, dürfte dann eher wenigeren bekannt sein.




Kaufmann und Schankwirt Abel Hradscheck ist verschuldet und entdeckt eines Tages beim nächtlichen Umgraben seines Gartens die alte Leiche eines französischen Soldaten.
Dies gibt Hradscheck allerdings Anlass, den anrückenden Schuldeneintreiber zu ermorden und mit Hilfe des gefundenen Toten die Tat zu vertuschen.
Seine Frau kann dies Vergehen allerdings nicht verkraften und zerbricht an den Schuldgefühlen, obwohl Hradscheck tatsächlich den Verdacht von sich lenken kann und aus erster Gewahrsamkeit wieder freikommt.
Die in seinem Keller vergrabene Leiche will er eines Tages umbetten, kommt aber durch ein Missgeschick selbst zu Tode und wird am nächsten Tag gemeinsam mit dem Ermordeten von den Dorfbewohnern aufgefunden.

Fontane bringt in seiner Kriminalgeschichte die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und damit auch beschreibende Charaktere hervor:


  • Der unglücksame aber auch schlechte Geschäftsmann Hradscheck, welcher auf der einen Seite Angst vor Nachrede hat, zweitklassige Waren anzubieten und den Speck so lieber des Nachts in seinen Garten vergräbt, aber auf der anderen Seite sogar einen Mord begehen kann.
  • Seine tüchtige, aber doch nicht dem Reichtum und des Geldes abgeneigte Frau Ursel, welche ein labiles Nervengeflecht besitzt und daran zugrunde geht - wobei sie lieber alles wäre, nur nicht arm.
  • Der fromme Pfarrer Eccelius, welcher die Beichten von Hradschecks Frau aufnimmt und ihr ein guter Berater und Freund wird und das Gewissen des Dorfes verkörpert.
  • Der Junge Ede, der "Narr" in der Geschichte
  • Die alte Jeschke, das Tratschweib, welches aber gleichzeitig eine der Hauptärgernisse für Hradscheck bedeutet, weil sie ihre Augen überall zu haben scheint
  • ...

Fontane gibt dem Dorf außerdem ein Leben durch gesellschaftliches Treiben im Wirtshaus, heiteren Plaudereien und Aberglaube - Dinge, die sich selbst entfalten, mehr Macht gewinnen und so die Dorfbewohner nicht nur zu dem voreiligen Schluss kommen lassen, dass Hradscheck den toten Soldaten im Garten ermordete - was faktisch nicht stimmen konnte - sondern ihnen auch noch aufzeigen, dass sie damit die Ehre eines Mannes ihresgleichen beschmutzt hatten und solch ein falsches Urteil zu entscheidenden Konsequenzen führen kann.
Dass sie mit ihrer anfänglichen Vermutung in anderer Hinsicht richtig gelegen hätten, ist dann jedoch eine andere Geschichte.

Wie man es von Hamburger Leseheften kennt, erwarten einem zum Schluss nicht nur nützliche Informationen hinsichtlich Begrifflichkeiten im Werk selbst (allerdings keine sprachlichen, bezogen aufs Plattdeutsche!), sondern auch ein kurzer Lebensabriss Fontanes und eine ausführlichere Erläuterung zur Einordnung des Birnbaums in die Zeitlinie seiner Werke.

Das Plattdeutsche ist in den meisten Fällen gut zu verstehen - Geheimnis dahinter, wie es meist mit Dialekten ist: nicht lange darüber nachdenken, sondern lesen und vor sich hinsprechen.


Einschätzung

Zunächst: natürlich schadet es nicht, wenn man sich ein Langenscheid Lilliput Plattdeutsch Wörterbuch anschafft, aber man wird auch ohne in den meisten Fällen zurechtkommen.
Gerade bei Charakteren wie die alte Jeschke ist aber jener Dialekt lebensfördernd.

Fontanes Werk lässt sich zweimal lesen - Erst dann fallen einem kleine Einzelheiten auf, die man zunächst übersah und welche bereits Hinweise auf spätere Vorkommen geben. Sei es die Wichtigkeit des Birnbaums in seiner Bedeutung oder jene Wichtigkeit der Ölfässer.
Wie man es schon aus seinen Balladen her kennt, ist die Sprache das I-Tüpfelchen der Geschichte.
Besonders, wenn es um die naturellen Beschreibungen geht, zeigt sich Fontanes Talent, wundert dies aber nicht, wenn man an seine vierbändige Wanderungen durch die Mark Brandenburg denkt.

Unterm Birnbaum ist ein kurzes Lesevergnügen, das man aber nicht unterschätzen sollte.
Mit den Charakteren kann man sich zwar nicht unbedingt identifizieren, dafür erlebt man aber als Zuschauer ein tolles Zusammenspiel der unterschiedlichsten Personen und wie sie entsprechend miteinander zu agieren verstehen.
Gerade das sehr ironische Ende Hradschecks ist ein Ausgang, den ich so nicht erwartet hätte.
Wer hinzukommend Wert auf gut gewählte Worte legt, ist bei Fontane mehr als gut aufgehoben.



Unterm Birnbaum
Theodor Fontane
Hamburger Lesehefte, 85 Seiten
ISBN-10: 3872911538
ISBN-13: 978-3872911537
Preis: 1,60€

Aktuelles und ein Leseprofil

Hallo meine lieben Leseratten!

Wie geht es euch?
Wie geht es euren Bücherstapeln?
Bei mir sammelt sich schon wieder so einiges an, aber ich bin fleißig dabei, alles abzuarbeiten.

Aktuell las ich "Nesthäkchen and the World War" - Manche von euch werden Else Urys "Nesthäkchen"-Reihe durchaus kennen: Die (Lebens)Geschichte von Annemarie Braun, ein gescheites, aufgewecktes Kind, das zu einem Backfisch heranreift und dann selbst noch im Alter von sich zu erzählen weiß.
Bei den bekannten Büchern wurde oftmals eines ausgelassen: "Nesthäkchen und der Weltkrieg".
Der vierte Band landete nach 1945 auf der Zensurliste - und das nicht nur einmal.
(Einen ausführlichen Bericht zu dem vierten Band der Nesthäkchen-Bücher gibt es dann zu Zeiten im Blog.)
Vorab aber dennoch:
Wer allerdings ein bisschen schmökern möchte, was Vergleiche verschiedener Nesthäkchen-Versionen betrifft, den verweise ich auf diese Forumsseite. Es ist nur ein kleiner Einblick, aber durchaus interessant.
Wem immer noch Fragezeichen auf der Stirn geschrieben stehen, mag hier einmal (kritischen Blickes!) vorbeischauen - vor allem bei einigen Leserkommentaren, die durchaus mehr versprechen als der Artikel selbst.



Wo wir schon bei Seiten sind... auf dieser gibt es ebenso eine neue 


Schaut doch mal vorbei! :)