Die Wahl fiel also auf "Das Mädchen aus der Zukunft", ein Buch mit zwei Geschichten, welche von Kir Bulytschow verfasst worden sind.
Kir Bulytschow selbst, eigentlich Igor Wsewolodowitsch Moscheiko, gilt als einer der bekanntesten Science-Fiction Autoren der damaligen Sowjetunion (2013 verstorben).
Die Geschichten um Alissa sind eine ganze Reihe an fantastischen Abenteuern des Kindes, welches durch den Weltraum reist. Es schafften weitaus nicht alle Geschichten den Weg in die DDR, wie man anhand seiner Bibliographie sehen kann.
Die erste Geschichte bringt Alissa, ihren Vater - der Wissenschaftler - und das außerirdische Wesen Gromeska - der Archäolge - in die Verlegenheit, in die Zeit zurückreisen zu müssen.
Die kosmische Pest wurde von auf mysteriöse Art und Weise auf einen Planeten eingeschleppt und sorgte dafür, dass deren Bewohner alle zugrunde gingen.
Eigentlich ist es verboten, in die Zeit einzugreifen, doch können Gromeska und Alissa nicht anders, als den Untergang zu verhindern. Die Medizin ihrer Gegenwart hat einen Impfstoff gegen die kosmische Pest gefunden und dieses Serum soll Alissa zum Ursprung der Pandemiequelle bringen.
In der zweiten Geschichte befindet sich Alissa mit der Kosmonautin Polina und ihrem alten Hilfsroboter auf Raumschifffahrt. Sie machen hierbei nicht nur mit dem japanischen Jungen Judso Bekanntschaft, welcher auf der Suche nach seinem verschollenen Vater ist, sondern auch mit einem mysteriösen Asteroiden und einem von Robotern unterdrücktem Volk. Es zeigt sich allerdings, dass die Roboter nicht einmal böswillig handeln, obwohl deren Herr durchaus von Größenwahn getrieben wird. Ein gefährliches Abenteuer erwartet das kleine Mädchen und Polina gerät in Lebensgefahr, als sie von den Robotern gefangen genommen wird.
Einschätzung
Die Bücher rund um das Mädchen Alissa sind laut Altersempfehlung für Kinder ab zehn Jahren geeignet.
Bereits auf den ersten Seiten merkt man allerdings, dass sich sprachlich nicht nur diese Zielgruppen angesprochen fühlen wird. Satzbau und Wortwahl sind durchaus auch recht komplex und gehoben. Man muss sich erst einmal einfinden, um Zugang zu der Geschichte zu gewinnen.
Alissa ist für ihre zehn Jahre äußerst intelligent und erwachsen. Kindliche Verhaltensweisen und Leichtsinn trifft man bei ihr selten an. Eher noch lässt sich der Archäologe mit seinen zig Fangarmen zu Impulsitäten hinreißen und bringt sie in Schwierigkeiten.
Bulytschow bringt die Geschichte schnell voran ohne zu hetzen. Die Ereignisse überschlagen sich somit nicht, sondern laufen in einem angenehmen Tempo ab.
Als Science-Fiction Kenner setzt Bulytschow ein gewisses Grundwissen voraus - Skaphander, Blaster, aber auch simple physikalische Vorkommnisse finden in seinen Geschichten Platz und werden nur erklärt, wenn es für den weiteren Verlauf wichtig ist. Es gab einige Begriffe, mit denen ich mich neu auseinandersetzen musste, weil ich von diesen bisher noch nie gehört habe.
Die Übersetzung von Aljonna Möckel ist liebevoll in der Wortauswahl und bereitet somit einen zusätzlichen Lesegenuss.
Bulytschows Pädogikkenntnisse zeigen sich zwischen den Zeilen.
Eine gewisse Moralvorstellung wird dem Leser vorgesetzt. Die Charaktere setzen sich mit einem Für und Wider in den Geschichten auseinander, nehmen kritisch Stellung und müssen in ihrer folgenden Handlung etwaige Konsequenzen tragen. Obwohl diese Episoden um Alissa sehr fröhlich und locker auf mich wirken, wiegt aber auch eine Schwere mit und führt nicht gleich zum Happy End.
So bringt Alissas Zeitsprung einen Gefängnisaufenthalt mit sich, da das Einsprühen der Besatzung mit dem Serum vor den Augen aller als Attentat interpretiert wird und das Unterfangen Judsos, seinen Vater wiederzufinden, lässt ihn hierbei erkennen, wie sehr sich sein Vater in der bis dahin vergangenen Zeit sowohl äußerlich als auch innerlich verändert hat.
Besonders interessant ist in meinen Augen die Auseinandersetzung mit der sich stetig weiterentwickelnden Technik in der zweiten Geschichte. Diese Weiterentwicklung sorgte einerseits dafür, dass die Menschen sich nicht nur von der Technik abhängig machten, sondern dadurch wieder zu Primaten rückentwickelten. Oder aber auch die banale Diskussion darüber, warum Alissa nicht einfach mit ins Weltall fliegen kann, sondern nur wenn sie Ferien hat - Schule ist verpflichtend und wichtig... Denn wie oft kommt es in Büchern vor, dass die Helden einfach auf Arbeit, in der Schule oder sonst wo Fehlzeiten verzeichnen, aber es niemanden stört? Ja, nicht einmal die Eltern?
Für die politisch Interessierten:
In manchen Punkten erkennt man in dem Kinderbuch durchaus einen Hang zur damalig bestehenden UdSSR. Es sind Begriffe wie Kosmonauten oder Kosmodrom, Namensgebung und auch die Wertevermittlung an Alissa, die daran erinnern lassen. Trotzdem ist das Buch selbst aber frei von sämtlichen politischen Konflikten, die zur damaligen Zeit herrschten.
Nachdem ich mich eingefunden hatte, verschaffte mir das Lesen sehr viel Freude. Die erste Geschichte um die kosmische Pest war mir leider noch zu kurz - Ich liebe Zeitreisen.
Zwar konnte ich mich nun durchaus nicht mehr mit einem der Charaktere identifizieren, doch war es eine gute Unterhaltung auf meinen Bahnfahrten. Der Kopf wurde zum Fantasieren angeregt - wie soll man sich bitte einen Außerirdischen mit Fangarmen vorstellen? Wer gar keine Idee hat... dem helfen aber vielleicht auch die Illustrationen, welche sich im Buch an diversen Stellen befinden.
Das Mädchen aus der Zukunft.
Kir Bulytschow.
Der Kinderbuch Verlag Berlin, 1987, 175 Seiten
Kir Bulytschow.
Der Kinderbuch Verlag Berlin, 1987, 175 Seiten
ASIN: 3358001555
Preis: -